piwik no script img

■ "Eine schlimme Zeit"Rote Karte trotz grünem Daumen: Schuld ist der falsche Paß Alle schoben, da kam der Karren in Fahrt: Industriebuchbinder

Mustafa ist ein Glückspilz. Eigentlich. Denn kaum hatte er im Sommer die Hauptschule beendet, fand er einen Ausbildungsplatz in seinem Taumberuf – als Gärtner. Den Eignungstest dafür bestand er mit Bravour. Aber Mustafa hat den falschen Paß. Er ist Türke.

Erst vor sieben Jahren kam der heute 17jährige nach Deutschland – im Gefolge der Eltern, deren Asylantrag bis heute nicht abgeschlossen ist. Sein wackeliges Bleiberecht ist der Grund, warum Mustafa keine Arbeitsgenehmigung bekommt; den zugesagten Ausbildungsplatz im Gartenbaubetrieb durfte er nicht antreten, obwohl der Vertrag schon unterschrieben war. Der Arbeitgeber riet dem Jungen mit dem grünen Daumen: „Zerreissen“. Mustafas einziger Trost: „Der Chef hatte mir die Stelle drei Monate lang freigehalten, weil er gehofft hatte, daß ich doch noch anfangen darf. Wenn es geht, nehmen sie mich beim nächsten Mal.“

Mustafa will optimistisch bleiben. Immerhin hatte er „als Ausländer“überhaupt eine Lehrstelle gefunden. „Aber die andern Bewerber hatten doch höchstens mal Rasen gemäht oder Laub geharkt. Ich weiß sogar was über Terrassenbau“, sagt er selbstbewußt. Trotzdem, als die endgültige Absage kam, wurde er krank. „Gelbsucht. Ich hatte mich so aufgeregt.“

Ein halbes Jahr lang hatte er für eine Lehrstelle alle Hebel in Bewegung gesetzt; bei Gartenbaubetrieben vorgesprochen, Messen besucht. Überall war er persönlich: „Weil die sehen sollen, wen sie kriegen“. Daß er überhaupt nur dann eine Chance auf eine betriebliche Ausbildung bekäme, wenn sich kein Deutscher für diese Stelle findet, wußte er nicht. Nach der Zusage war er noch wochenlang morgens früh aufgestanden, um beim Arbeitsamt und Ausländeramt in eigener Sache zu trommeln. Umsonst. „Also, wenn du mich fragst, war das letzte Jahr ganz mies“, sagt Mustafa. Er hofft auf das kommende Ausbildungsjahr. ede

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen