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Vom Kopf auf die Füße gestellt

■ Der etwas andere Gärtner: Bevor er Landschaften beackerte, studierte Ulrich Dunker Geschichte. Heute erforscht er Kundenwünsche und ärgert sich über gezirkelte Rasenkanten

„In Italien“, schwärmt Ulrich Dunker, „da stellen sie fünf Geranientöpfe auf, und schon hat das Atmosphäre.“ Und auch in England hätten die Menschen ein ganz anderes Gefühl für Gartengestaltung. In Berlin hingegen ist der Landschaftsgärtner häufig enttäuscht über „scheußliche oder popelige Gärten“. Hier fehle einfach die Großzügigkeit und natürlich auch das entsprechende Klima, meint der Gärtner, der zu seiner Leidenschaft selbst erst über trockene Umwege kam, sich dafür auf seiner Visitenkarte aber mit einem Doktortitel schmücken darf.

„Eigentlich“, erzählt Dunker, „hatte ich mich ganz auf die Professorenlaufbahn eingeschossen.“ Als promovierter Historiker beackerte er das Feld der Antisemitismus-Forschung und des deutschen Arbeitertums. Mit Anfang 30 habe er sich in seinem Spezialgebiet richtig festgefahren, kein Zustand, der ihm gefiel. Zudem waren die Berufsaussichten schlecht. Dunker hatte da einfach „keinen Bock mehr auf die Uni“. „Ich habe mich selbst vom Kopf auf die Füße gestellt, das war im wahrsten Sinne eine Verwurzelung“, sagt Dunker.

Seit 16 Jahren ist er nun schon Gärtner. Auch in dieser Zeit gab es Einschnitte. Mit „absolut missionarischem Eifer aus der Ökoecke“ sei er angetreten und habe seine Kunden mit erhobenem Zeigefinger ermahnt, gefallenes Laub in den Gärten als Humus liegenzulassen. Heute sieht er das gelassener, die Kundenrenitenz hat ihn geläutert. „Die 50 Quadratmeter Laub, die da nicht verrotten, haben auf die Ökobilanz wenig Einfluß.“

Mittlerweile hat sich auch seine Unternehmensphilosophie geändert. Nun sieht er sich als Dienstleister. Denn die Kunden, die sich die Gestaltung und Pflege eines Gartens leisten können, haben oft sehr genaue Vorstellungen. „Ein Garten soll immer blühen, keine Arbeit, aber viel hermachen“, weiß Dunker. Die Kunden wünschen ein fertiges Produkt und würden den Garten wie ein Auto kaufen. „Die kommen mit den wunderbaren Bildern aus den Gartenzeitschriften und sind dann enttäuscht, wenn nach unserer Arbeit die Pflanzen nicht so groß sind oder die Rosen noch nicht blühen.“ Dabei müsse klar sein, daß ein Garten eine Entwicklunsphase von ein bis zwei Jahren brauche. Um die Kunden nicht allzusehr zu enttäuschen, versuchen Dunker und seine Mitarbeiter zunächst genau die Wünsche zu erforschen, bevor er ein Angebot in drei Versionen erstellt. Soll es einen Sitzplatz geben? Soll ein Hund im Garten tollen oder Kinder? Wird ein Rosenbeet gewünscht, um das man sich kümmern kann und muß?

Doch intensive Pflege wird selten gewünscht. „Viele Gärten sehen so aus, als ob da allenfalls gerade mal durchgegangen wird“, bedauert Dunker.

Was ihn aber wirklich stört, ist der Wunsch nach „einschneidenden Maßnahmen“. Viele Gartenbesitzer seien von der Vorstellung geprägt, daß die Natur beherrscht werden müsse, die Rasenkante möglichst abgezirkelt, die Sträucher regelmäßig geschnitten. Dabei müsse man allenfalls Obstbäume oder Rosensträucher beschneiden, damit sie Ertrag haben.

Lieber macht er den Gartenbesitzern fließende Übergänge schmackhaft. „Wiesenpfade etwa sind richtig verwunschen“, schwärmt Dunker über wild wachsende Gräser, durch die nur ein Weg mit dem Rasenmäher geschlagen wurde. Auch für die Kombination von Swimmingpool und Gartenteich, bei der das Badewasser ökologisch durch Pflanzen geklärt wird, wirbt der Ökologe, obwohl man die Teiche „wegen der paar Frösche, die sich da ansiedeln“ nicht überbewerten solle.

Trotz der Vermittlungsschwierigkeiten macht ihm die Arbeit in Privatgärten wegen des direkten Kontakts mit dem Kunden immer noch Spaß. Auch wenn viele die Gärtnerei fälschlicherweise für „das Einfachste“ halten würden, was sich häufig auch auf die eher niedrigen Zahlungsvorstellungen auswirke. „Vielleicht“, sagt Dunker und grinst, „ist der Gärtner ja deshalb immer der Mörder.“ Gereon Asmuth

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