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Kontakte aus der Zelle

■ Nachrichten aus Umtata, Teil vierzehn, oder: Eine Stadt hängt am Funktelefon / Einige haben auch schon wieder den Abstellknopf entdeckt

Fünf Gäste sind gekommen, fünf Handies liegen auf dem Tisch. Neulich hatten wir also Gelegenheit, im Praxistest herauszufinden, was ich schon immer mal wissen wollte: Wenn zwei Leute direkt nebeneinander sitzen und per Funktelefon laut miteinander sprechen, fängt es nicht an zu fiepen. Der aus Konzerten so unangenehm bekannte Rückkopplungseffekt, der auftritt, wenn der Ton aus dem Lautsprecher ins Mikrophon gelangt, verstärkt an den Lautsprecher zurückgeschickt, dann wieder vom Mikrophon aufgenommen wird und so weiter – er bleibt beim drahtlosen Telefonieren aus.

Handies heißen in Umtata „Cells“und baumeln an jedem dritten Gürtel. Wenn Frau keine Hose anhat, zückt sie ihre piepende „Zelle“auch schon mal aus dem Ausschnitt des Kleides. Auf der einen Seite des BH wird seit jeher das Bargeld verstaut, auf der anderen ist aber noch Platz fürs Telefon. Wer einen Job im öffentlichen Dienst hat, an der Uni oder in einem größeren Unternehmen, wird vom Arbeitgeber schnell zum Mobil-Telefonisten gemacht. Oder er findet ein unwiderstehlich günstiges Lockangebot für einen Gruppentarif bei seinem Gehaltsstreifen. Wer sich per Unterschrift auf zwei Jahre daran bindet, bekommt das Telefon umsonst dazu. So erregen der Gärtner oder die Putzfrau mit dem Cell längst kein Aufsehen mehr. Das böse Erwachen kommt erst zwei Monate später, wenn die private Telefongesellschaft zum ersten Mal ihre Gebühren einzieht – direkt vom Gehalt, denn so stand es im Kleingedruckten.

Profis haben diesen Schreck schon lange hinter sich. Sie wissen, daß das Cell-Gespräch tagsüber eine Mark die Minute kostet und lassen sich nur noch anrufen. Müssen sie doch mal selber telefonieren, greifen sie zum Tischapparat oder machen es so kurz, daß es schon unhöflich ist. Denn ohne zunächst ausführlich nach dem Befinden der Familie gefragt zu haben, darf in Umtata eigentlich kein Anrufer zur Sache kommen: ein typisches Beispiel dafür, wie die Gesprächskultur an der Kommunikationstechnologie zugrunde geht. Schon werden angeblich auch die Gespräche am Normaltelefon kürzer. Und irgendwann grüßen sich dann Bekannte nur noch mit dem sparsamen deutschen Kopfnicken, wenn sie sich in der Stadt begegnen.

Oder doch nicht? Schon haben die ersten Zellisten an ihrem Gerät einen Knopf entdeckt, mit dem man es abstellen kann. Mitten im Meeting oder im Konzert piept dann nichts mehr. „Diese Nummer ist vorübergehend nicht erreichbar“, bekommt immer weniger vorübergehend zu hören, wer die Zell-Nummer eines gefragten Menschen wählt. Manch einer ist nur noch zu erwischen, wenn man die Nummer seines privaten Handies herausgefunden hat,. Der Dienstapparat wird nur benutzt, um selber auf Firmenkosten jemanden anzurufen. Sogar die behäbige staatliche „Telkom“bedroht inzwischen die forsche Zunft der Drahtlosen. Im Eiltempo verkabelt sie das Land und hat damit die Wartezeit auf ein normales Telefon von einst mehreren Jahren auf nur noch vier Monate gesenkt.

Die Bürgersteige in Umtata sind nach wie vor unpassierbar, weil jeder sich mit jedem trifft und in aller Ruhe völlig gebührenfrei die Neuigkeiten der erweiterten Verwandt- und Bekanntschaft erörtert. Und selbst Japan, das Herkunftsland der meisten drahtlosen Zellen, beweist in Südafrika, daß es manchmal auch in Sachen menschlicher Kommunikation einen Schritt voraus ist. Wo sonst auf allen Restaurant-Tischen neben dem Teller die Handies liegen, wartet bei „Mama-Jama“, der japanischen Sushi-Bar in Kapstadts Geschäftszentrum, nur der leckerste rohe Fisch auf den ersten Anbiß. An der Wand hängt ein Schild: „Rauchen und Telefonieren verboten.“ Dirk Asendorpf

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