: Federn strahlen am stärksten
■ Atomtauben im Bremer Labor / Radioaktivität wie aus WAA
Mit fliegendem Atommüll schlagen sich derzeit der Bremer Kernphysiker Gerald Kirchner und seine Mitarbeiter herum. In der Landesmeßstelle an der Bremer Universität untersuchen sie im Auftrag von Greenpeace die Strahlenbelastung an zweieinhalb Kadavern von Tauben, die in der Nähe der britischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield gefangen worden waren. Britische Untersuchungen hatten eine außerordentlich hohe Radioaktivität entdeckt.
Am Wochenende führten die Forscher orientierende Messungen durch. Die jetzt notwendigen nuklidspezifischen Untersuchungen seien sehr anspruchsvoll, so Kirchner. Dazu werden sowohl Federn als auch das Fleisch verbrannt, ehe die Radioaktivität der Asche gemessen wird. Genaue Ergebnisse erwartet Kirchner in einigen Tagen.
Der Trend sei aber klar: „Das Gefieder ist eindeutig am höchsten belastet“. Die festgestellten Stoffe wie Kobaldisotope und Cäsium seien typisch für die Emissionen von Wiederaufarbeitungsanlagen. Die Konzentrationen sind so hoch, daß Kirchner stutzig wird. „Aus der Luft können die Tauben das nicht haben. In einer halbwegs ordentlich geführten Anlage ist mir unverständlich, wo das herkommt“. In Sellafield werden auch deutsche Atombrennstäbe verarbeitet.
Greenpeace-Aktivist Sean Burnie berichtet, die radioaktiven Tauben seien per Zufall entdeckt worden. Im Dörfchen Seascale nahe Sellafield hätten sich Hotelgäste über die Taubenmassen beklagt. Tierschutzgruppen fingen dann einige Vögel. Dabei sei die Idee aufgekommen, sie auf Radioaktivität testen zu lassen, so Burnie. Tauben rund um die WAA werden inzwischen gefangen, getötet und in Stahlbehältern auf einer Nuklearmüllkippe entsorgt. Nach Burnies Angaben müssen auch Hausdächer und der Garten des „Taubenhauses“in Seascale entsorgt werden. Er geht davon aus, daß es sich bei der Belastung um eine neue Kontamination handelt. Die Tiere hätten offensichtlich in den Gebäuden der WAA gebrütet.
Nach den alarmierenden Werten hat die britische Regierung umgehend angeordnet, auch andere Tiere wie Insekten oder Kaninchen, die auf dem WAA-Gelände leben, zu testen.
Das Bremer Labor hat schon früher für Greenpeace gearbeitet, allerdings noch niemals Tiere untersucht. So hatte Kirchner auch schon jene Proben analysiert, die Greenpeace-Aktivisten im vergangenen Jahr an einem Ableitungsrohr der französischen Atomanlage La Hague genommen hatten. jof
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