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Kleine Morde unter Hanseaten

■ Blutige Hamburgensie: Petra Oelker und ihr zweiter tadellos recherchierter Historienkrimi „Der Sommer des Kometen“

Der Zuckerbäcker Marburger ist stinkreich und hundsgemein. Und eines Tages führt diese Mischung zu seinem unfreiwilligen Ableben. Er wird standesgemäß mit einer Zuckerhutform erschlagen. Als der junge, von Liebeskummer geschüttelte Christian Herrmanns ihn in den frühen Morgenstunden findet – er kam gerade mit seiner Stute Bella des Weges –, beginnt das dünne Rinnsal Blut entlang seines fleischigen Halses gerade zu trocknen.

Da niemand Marburger ausstehen konnte, hätte es jeder gewesen sein können. Zum Beispiel auch Christian. Schwierig zu erklären, warum er im Morgengrauen um das Haus seiner Angebetenen in Altona schlich und anschließend im wilden Galopp zum Landsitz seiner Familie in Harvestehude zurückpreschte. Glücklicherweise wird Christians Vater, ein ebenfalls stinkreicher, aber überaus beliebter und ehrbarer Reeder, mit der Aufklärung beauftragt.

Claes Herrmanns ist für unsereins ein alter Bekannter: Wir haben schon in Petra Oelkers erstem historischen Kriminalroman Tod im Zollhaus manches mit ihm durchlitten. Mit Der Sommer des Kometen können wir nun die Fortsetzung lesen. Claes' Ehe – erst ganz am Ende des ersten Krimis haben er und die schöne Anne sich gekriegt – und die Geschäfte laufen gut. Sein Sohn ist wohlgeraten. Und auch die Komödianten – umherziehende Schauspieler, die Claes bei der Aufklärung des letzten Mordes zu schätzen gelernt hat – sind wieder in der Stadt.

Deren Hilfe kann er nun gut gebrauchen. Denn der verblichene Zuckerbäcker ist bereits der zweite mysteriöse Tod, der die Hafenstadt in diesem schwülheißen Sommer des Jahres 1766 erschüttert. Kurz zuvor wurde ein Dichter, der seinen Kaufmannsberuf für die Kunst an den Nagel gehängt hatte, unter ungeklärten Umständen im Pesthof dahingerafft. Er hatte ein Theaterstück geschrieben, daß die Komödianten eigentlich aufführen wollten und das nun unauffindbar ist. Zu allem Überfluß kündet eine seltsame Gestalt auf dem Gänsemarkt einen Kometen und drohendes Unheil an. Die Schwüle ist fast unerträglich, die Fleete stinken, die HamburgerInnen sind nervös.

Die Komödiantin Rosina schlüpft in Männerkleider – wie schon einmal in „Tod im Zollhaus“– und spioniert in der Zuckerbäckerei herum. Claes knöpft sich diesen und jenen Verdächtigen vor und muß sich zwischendurch auch noch um die unglückliche Liebe des Sohnes – die Tochter seiner eigenen unglücklichen Liebe – kümmern. Da passiert noch ein Mord. Es scheint keine Verbindung zu geben und doch hängt irgendwie alles zusammen.

Dennoch lösen sich alle Irrungen und Wirrungen am Ende doch noch in Wohlgefallen auf – wie beim Ohnesorgtheater. In Petra Oelkers hervorrangend recherchierten Kriminalromanen, wandelt man nicht nur auf dem Jungfernstieg des 18. Jahrundert, reitet an den Armenhäusern vorbei ins dänische Altona, probiert Kartoffeln als exotische Neuheit und sieht die Tore Hamburgs am Abend schließen (und kann all das auf einer – leider nicht ausklappbaren – Straßenkarte mit dem Finger nachvollziehen). Darüber hinaus ist hier auch die Krimi-Welt noch in Ordnung: Die Aufteilung in gut und böse wird von keinerlei tiefgründiger Komplexität der Charaktere getrübt.

Oelker versucht auch nicht, das Genre mit pseudo-literarischem Schnickschnack aufzuweichen, zu der sich manche Krimischreiber, die sich in Wahrheit für Dichter halten, hinreißen lassen. Der Sommer des Kometen ist solides Handwerk, gut geschrieben und spannend zu lesen.

Hoffentlich ist bald Krimi Nummer drei druckreif.

Silke Mertins

Petra Oelker: „Der Sommer des Kometen“. rororo, Hamburg 1998, 320 Seiten, 14,80 DM

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