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Die Kunst spektakelt durch die Stadt

■ Endlich auch Kunsthauptstadt?: Ab Oktober geht die "Berlin Biennale" mit zeitgenössischer Kunst über die Bühne. Das 2,5 Millionen Mark teure Event streckt sich bis 2000. Veranstalter halten Konzept und

Havanna hat eine, São Paolo auch, Venedig sowieso. Nun reiht sich auch Berlin in den Kreis der Städte ein, in denen es eine Biennale zeitgenössischer Kunst gibt. Gestern stellten die Kuratoren Nancy Spector vom New Yorker Guggenheim Museum, Klaus Biesenbach von den Kunst-Werken Berlin und der Pariser Ausstellungsmacher Hans-Ulrich Obrist ihr Konzept für die Schau „Berlin Biennale“ vor, die in Zukunft alle zwei Jahre stattfinden soll.

Geplant ist zu Beginn, die Biennale in mehrere Abschnitte bis ins Jahr 2000 zu strecken. Dabei soll sie nicht an einen bestimmten Ausstellungsraum gebunden sein, sondern auf verschiedene Ort verteilt werden; darunter das Haus der Kulturen der Welt, die Akademie der Künste, die Kunst-Werke in der Auguststraße sowie das ehemalige Postfuhramt in der Oranienburger Straße. Finanziert wird das Kunstkonzept durch die Stiftung Deutsche Klassenlotterie, den Hauptstadt-Kulturfonds des Bundes, Sponsoren aus der Wirtschaft und den privaten Verein „berlin biennale für zeitgenössische Kunst e.V.“, dem unter anderem der Berliner Investor und Kunstsammler Dirk Gaedecke angehört. Der Etat beträgt rund 2,5 Millionen Mark.

Zum Auftakt im Herbst soll vom 1. bis 3. Oktober im Haus der Kulturen eine interdisziplinäre „Rund um die Uhr“-Konferenz mit dem Titel „Congress 3000“ die BesucherInnen auf das „hybride Programm“, so die Initiatoren, der Biennale einstimmen. Erwartet werden neben KünstlerInnen Vertreter aus den Bereichen Architektur, Film, Mode, Industrie- und Kommunikationsdesign. Interdisziplinär soll es auch bei der ebenfalls ab 1. Oktober laufenden ersten Biennale-Ausstellung „Berlin-Berlin“ zugehen, an der mehr als 50 KünstlerInnen, MusikerInnen, ArchitektInnen und FilmemacherInnen teilnehmen. Dabei wollen sich die Kuratoren der Frage widmen, „wie sich Berlin heute als Stadt definiert“, sagte Klaus Biesenbach.

Im gleichen Zeitraum, nur ein Jahr später, soll der dritte Teil dieser ersten Berlin-Biennale über die Bühne gehen. Die Ausstellung „7/11“ (benannt nach einer US-Supermarktkette, deren Filialen 24 Stunden am Tag geöffnet sind) wird „sieben bis elf KünstlerInnen präsentieren“, betonte Nancy Spector, die sich „in letzter Zeit in ihrer Arbeit mit der Interaktion von Zeit und Ort auseinandergesetzt haben“. Als „work in progress“ ist Teil vier der Biennale angelegt. Unter dem Motto „Flanerie“ werden KünstlerInnen nach Berlin eingeladen, um sich darüber Gedanken zu machen, inwieweit der Blick des Flaneurs gegenwärtig noch dazu geeignet ist, eine Stadt wie Berlin in Zeiten des Cyberspace zu erfassen und zu verstehen. Erste Projekte von „Flanerie“ sollen bereits in diesem Herbst vorgestellt werden, im Ganzen gezeigt wird dieser Part der Biennale ab Oktober 2000.

So weit, so unkonkret. Denn bei allen vollmundigen Ankündigungen der Kuratoren, eine Liste der teilnehmenden KünstlerInnen, und sei sie noch so unvollständig, wurde gestern hartnäckig unter Verschluß gehalten. Begründung für die mehr und mehr in Mode kommende Geheimniskrämerei: Man wolle den TeilnehmerInnen gegenüber Fairness walten lassen. Das heißt: keine Hierarchie aufbauen, indem manche Künstlernamen früher als andere publiziert würden.

Ein an sich ehrenwerter Plan, der in der Praxis allerdings etwas naiv erscheint. Natürlich gibt es Buschtrommeln, die SzenegängerInnen schon jetzt einflüstern, wer zu den Auserwählten zählt. Für „7/11“ beispielsweise, der Ausstellung, die sich durch Themen wie „das bewegte Bild, prozeßhafte und erzählerische künstlerische Strategien, Zeitwahrnehmung und Gedächtnis“ auszeichnen soll, sind einige der üblichen Verdächtigen bereits fest gebucht, so die Schweizerin Pipilotti Rist, der New Yorker Matthew Barney und der Schotte Douglas Gordon. Ulrich Clewing

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