: Auch eine grüne Abgeordnete in den Sucher geraten
■ Bayerns Verfassungsschutz zeigt sich alarmiert von Mailboxen mit den „Agitationsthemen Umwelt, Frieden und Menschenrechte“. Die Schlapphüte vermuten Linksextremismus am Werk
Berlin (taz) – AtomkraftgegnerInnen und deren Medien sind den bayerischen Behörden immer noch suspekt und dem Verfassungsschutz des Freistaates allemal eine Beobachtung wert. Im Verfassungsschutzbericht für das vergangene Jahr wird unter der Rubrik Linksextremismus unter anderen die Mailbox „Link-SAD“ in Schwandorf als Beispiel für die „Nutzung moderner Kommunikationsmittel durch Linksextremisten“ angeführt. Der elektronische Briefkasten hat rund 20 NutzerInnen. Eine davon ist die bündnisgrüne Abgeordnete und langjährige Vorsitzende der Oberpfälzer Bürgerinitiativen gegen Atomanlagen, Irene Sturm.
Über ihre Mailbox, die mit etwa 200 weiteren im Computernetzwerk Linksysteme („CL-Netz“) verbunden ist, konnte die Landtagsgrüne in dem im März veröffentlichten Bericht nachlesen: „Die Informationsschwerpunkte im CL-Netz liegen auf den Agitationsthemen Umwelt, Frieden und Menschenrechte. Die Beiträge reichen von Veranstaltungshinweisen über Kommentare zum aktuellen politischen Tagesgeschehen bis hin zu Informationen über Castor- Transporte.“ Auch über rechtsextreme Aktivitäten wird in dem Netz berichtet. Soweit haben es die Schlapphüte ganz richtig beobachtet. Nur haben sie nicht erwähnt, daß im CL-Netz ebenso amnesty international, Greenpeace, die Grünen oder die SPD vertreten sind. Offen bleibt auch die Frage, was an diesem Netz „linksextremistisch“ sein soll.
Die Landtagsgrüne Sturm will nun wissen, wer da was genau überwacht hat. Der bayerische Datenschützer werde sich mit diesem Fall befassen müssen, sagt sie. „Wer heutzutage die Reizwörter Castor, Kurde oder PKK in den Computer tippt, zählt offenbar bereits zur linksextremistischen Szene und als Verfassungsfeind“, kritisierte Sturm.
Bayerns Verfassungsschutz ist der engangierteste in der Republik. Der Freistaat ist das einzige Bundesland, das seine Lauschbehörde auch zur Beobachtung der Organisierten Kriminalität einsetzt. Kritiker halten diesen Einsatz zwar für ineffizient. Das hindert Bayerns Innenminister Beckstein aber nicht, ein ähnliches Vorgehen auch auf Bundesebene zu fordern. Wolfgang Gast
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