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Seit zwei Wochen liefern sich die Spitzen von CDU und CSU heftige Wortgefechte über das Wahlkampfprogramm der Union. Für Peter Hintze hat es nie einen Streit gegeben. Der CDU-Generalsekretär beschwört die Geschlossenheit der Schwesterpartei

Seit zwei Wochen liefern sich die Spitzen von CDU und CSU heftige Wortgefechte über das Wahlkampfprogramm der Union. Für Peter Hintze hat es nie einen Streit gegeben. Der CDU-Generalsekretär beschwört die Geschlossenheit der Schwesterparteien und grinst alle Zweifel fort.

Das Grinsen ist seine politische Waffe

Der Mann könnte einem fast leid tun. Wenn da nicht dieses infernalische Grinsen wäre. Wie provokativ auch immer er an diesem Dienstag in Bonn angegangen wird, der Mann von der Zapfsäule grinst jeden nieder – selbst wenn er laut wird. Das kann nicht nur daran liegen, daß Peter Hintze im bürgerlichen Beruf Pfarrer ist. Das Grinsen ist zu seiner politischen Waffe geworden, mit dieser Fassade blockt er alles ab.

Abzublocken hat er in diesen Wochen jede Menge. Zuerst die Angriffe auf ihn persönlich – er habe kein Wahlkampfkonzept gegen die Schröder-SPD. Und jetzt muß er sich hinstellen und vor der versammelten Bonner Presse behaupten, was ihm niemand im Saale abnimmt: Streit innerhalb der Union gibt es nicht, anderslautende Wortmeldungen sind irrelevante Einzelmeinungen. Und falls es doch Unstimmigkeiten gegeben haben sollte, sind diese jetzt definitiv behoben. Die Union steht geschlossen vor den kommenden Wahlen, und der Kanzler erfreut sich bester Gesundheit.

Der Lagevortrag des CDU-Generalsekretärs erinnert ein wenig an das ärztliche Bulletin in der Endphase der Breschnew-Ära: Jeder weiß, daß der Patient im Koma liegt, aber der Sozialismus schreitet voran. Seit zwei Wochen liefern sich CDU und CSU heftige Wortgefechte, schimmert die Angst vor der Niederlage in Bayern und in Bonn durch jede Presseerklärung. Aber Peter Hintze grinst unverdrossen und erklärt den innerparteilichen Schlagabtausch zu einem Journalistenirrtum während der nachrichtenarmen Osterzeit.

Gemessen an der Lage, hält der Mann sich noch ganz passabel. Immer wenn sich in Wahlkämpfen für eine Partei die berüchtigte Abwärtsspirale andeutet, wenn der Boden schlüpfrig wird und sich Panne auf Panne addiert, ist der Generalsekretär der Prügelknabe. Und Peter Hintze eignet sich offenbar besonders gut dafür. Tapfer wehrt er Fragen ab wie: Warum macht eigentlich jetzt die CDU alle Fehler, die sonst immer die Sozialdemokraten machen? und ringt sich zu dem Scherz durch, man habe halt den Wahlkampf etwas spannender machen wollen.

Doch niemand lacht. Das Verhalten der CSU möchte er nicht kommentieren, „schließlich werde ich nicht gerade jetzt ein neues Ölfäßchen anzünden“. Vielmehr ist sein Eindruck, ja seine Gewißheit, daß auch die CSU „den klaren, festen und unumstößlichen Willen hat, außer der Wahl in Bayern auch die Bundestagswahl in Bonn zu gewinnen“. Was kann Hintze dafür, daß jetzt gelacht wird?

Im Moment kann Hintze die Feuerchen gar nicht so schnell austreten, wie andere in der Koalition sie anzünden. Während er mühsam den unbändigen Siegeswillen der Union verkündet, erklärt der Kollege von der FDP, Guido Westerwelle, die Bürger hätten den Eindruck, die Unionsparteien wollten die Wahl wohl nicht mehr gewinnen. Die FDP sei darüber „fast sprachlos“. Aber eben nur fast. Und zur gleichen Zeit, wie Hintze abschließend, definitiv und zum letzten Mal erläutert, daß zwischen den Spitzen von CDU und CSU völlige Einigkeit darüber besteht, daß die Union eine „europaweite, aufkommens- und wettbewerbsneutrale Energiesteuer unter dem Dach einer allgemeinen Steuersenkung“ will, erklärt der Hamburger CDU-Mann Ole von Beust in einem Interview, es sei ja auch „schwer, die Grünen anzugreifen, wenn man im Grundsatz dasselbe will“. Und das Hintze, der immer noch stolz darauf ist, die Grünen bei den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein mit der Zapfsäule gestoppt zu haben.

Es ist wahrlich nicht leicht für einen CDU-Generalsekretär, in diesen Zeiten eine gute Figur zu machen. Hintze schafft das sichtlich nicht. Trotzdem hat sich Kohl erst kürzlich, als nach der Niedersachsen-Wahl die innerparteiliche Kritik besonders laut wurde, demonstrativ vor seinen General gestellt. Das hat wohl nicht nur mit der geradezu unterwürfigen Loyalität Hintzes gegenüber Kohl zu tun, sondern auch mit dessen Qualitäten. Hintzes Vorteil ist, daß er, als grinsender Konfirmand, unterschätzt wird. Allem christlichen Gesäusel zum Trotz war es Hintze, der sich im letzten Wahlkampf die Rote-Socken-Kampagne ausgedacht hat, wohl wissend, daß es das Land spaltet, aber der Union nutzt. Wenn man den Pfarrer etwas linkisch vor dem Rednerpult herumhampeln sieht, vergißt man leicht, daß dieser Mann auch instinktsicher den politischen Gegner unter die Gürtellinie treten kann. Als er Günther Grass nach dessen Laudatio für Yașar Kemal aus der Liste ernstzunehmender Schriftsteller strich, konnte er sich durchaus mit Volker Rühe in dessen besten Tagen als Polemiker der Union vergleichen lassen.

Um so deutlicher verweist seine jetzige Hilflosigkeit auf die dramatische Situation der Union. Nicht nur Hintze weiß nicht, was er gegen Schröder machen soll. Zur Diskreditierung des Niedersachsen und der SPD zwei Tage vor deren Jubelparteitag in Leipzig fällt ihm nichts Besseres ein, als verstaubte Schröder-Zitate aus Vorwende-Zeiten aufzuwärmen. Noch nicht einmal empfindliche Ossis regen sich noch darüber auf. Und als er ernsthaft erzählt, wie gut die Wirtschaftsdaten derzeit doch seien, „eine Trendwende am Arbeitsmarkt noch in diesem Jahr“ bevorstehe, hört kaum noch jemand zu. Statt dessen muß er sich mit der Frage herumschlagen, welche Rolle er denn in dem Wahlkampf der Union noch spiele, nachdem er pflichtgemäß die wichtige und herausragende Rolle Wolfgang Schäubles gelobt hatte. Jürgen Gottschlich, Bonn

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