■ Ökolumne: Marke Schröder Von Thomas Worm
Warum nicht Kandidat Gerhard Schröder in seinem Versuch ernst nehmen, sich als Produkt zu vermarkten? Die Lucky-Strike- Agentur führt seinen Werbefeldzug. Pinselbraue, Nasenfalte, Schmunzeln satt – „Ich bin bereit“ versichert die Kanzlermarke auf dem Plakat. Die Sozis spielen One-man- Show. Der Kandidat als Label, als Etikett, das auf allem haftet. Ein Genosse Markt- Comandante eben. Gerhard „Havanna“ Schröder trägt Zweireiher, liebt exotische Zigarren und teutonische Limousinen, ist alles zugleich: Macher und Genießer, Solidarmensch und Boss-Typ, Haudrauf und Entertainer. Kampf um die Zielgruppe „Neue Mitte“ nennt Stratege Müntefering das. Sollte es doch noch so weit kommen – eine Bundesregierung aus Grün und Rot wäre nicht nur eine deutsche Premiere. Sie wäre die erste Koalition zwischen einer kleinen Reformpartei und der Gefolgschaft eines Designkanzlers im TV-Format. Denn das einzige Programm, für das Schröder steht, ist das Fernsehprogramm. Vier von fünf Deutschen glauben, die Flimmerkiste beeinflusse Wahlen. Damit die mediale Projektionsfläche Schröder funktioniert, darf sich der Kandidat nicht festlegen. Ein Dilemma. Denn schon wird überall gemurrt, warum der Strahlemann seine Neuerungen fürs nächste Jahrtausend so schwer konkretisieren kann. Aufbruch ja. Aber wie? Und wohin?
PR-Schlagworte wie „Innovation“ und „Gerechtigkeit“ geben da keine Auskunft, durch Parteitagsbeschlüsse fühlt er sich nicht gebunden. Mit einer ehrlichen Debatte um eine erdverträgliche Gesellschaft haben sie nichts zu tun. Man würde gern vom Kandidaten hören, wie er trotz Globalisierung den Spielraum der Politik gegenüber den Konzern behaupten will.
Fromme Wünsche. Schröder neigt zu einem muffigen Patronage-Kapitalismus, zu einer Wirtschaftspolitik patriarchaler Kumpanei. Beispiel: Gemeinsam mit Daimler-Chef Schrempp machte der Auto-Didakt Schröder in dem Positionspapier „Von Asien lernen!“ seinen Kotau vor den damals noch hohen Wachstumsraten in Fernost. Das heißt auch Verbeugung vor den staatlich protegierten Industrie-Konglomeraten Südkoreas, vor dem Pfründesystem des Suharto-Clans, vor der Bubble-Ökonomie Japans, die sich unter ministerieller Obhut spekulativ aufblähte. Die Blase platzte. Inzwischen sind die Banken pleite, Hunderttausende Firmen kaputt, Millionen liegen auf der Straße. Und Südostasiens Wälder stehen in Flammen.
Ein Lehrstück? Der Kandidat hat auf seine Weise von Asiens Staatskungeleien gelernt. Als Anfang dieses Jahres der Verkauf der Preussag Stahl an „Ausländer“ drohte, kaufte Globalisierer Schröder die Firma kurzerhand für seine Landeskinder – als Wahlkampfgeschenk. Dieser altväterliche Interventionismus soll nun auf Bundesebene weitergehen. Jüngst erklärte Schröder, als nächster Regierungschef den Unternehmen zwei Jahre Entlassungsstopp verordnen zu wollen. So wenig vertraut er seinen Marktrezepten.
Trotz aller Schelte, als einzige Partei verfügen derzeit die Grünen über brauchbare Ansätze zu einer sozialen und ökologischen Wirtschaftspolitik. Allein ihre Ökosteuerreform könnte die Finanzmasse von 100 Milliarden Mark aufbringen, um die Lohnnebenkosten drastisch zu senken – und die Energiewende einzuleiten. Dumm nur, daß den Grünen bisher griffige Slogans fehlen, die Benzinpreiserhöhung populär zu machen, wie etwa: „Für 30 Pfennig 50.000 neue Jobs!“ Schröder dagegen weiß nicht, woher er das Geld zum Umsteuern nehmen soll. Er ist – wie Kohl – ein Mann der leeren Taschen. Deshalb sein Vorbehalt, erst mal nachschauen, was von Waigel „noch in der Kasse ist“.
Bislang hält Oskar das launische Paradepferd im Medienzirkus an der Longe. Doch reicht das nicht für ein Rot-Grün-Bündnis mit Substanz. Erst die Peitsche und ein paar hübsche Hindernisse garantieren, daß Schröder auch springt. Diese Rolle können nur noch Grüne übernehmen. Denn Schröders Performance hat die euphorisierten Claqueure der Sozialdemokratie vergessen lassen, daß es einst um Inhalte ging.
Schröder und seine Vorbilder: Gestern Suharto, heute Blair, morgen Zhu Rongji? Bloß keine eigenen Ideen. Das Label Schröder verpackt geschickt die Kerneigenschaft seines Politikangebots: öde. Wer um jeden Preis den Markenartikel Schröder kaufen möchte, sollte vorher die Stiftung Warentest konsultieren.
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