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Kitsch-Mutanten greifen an

■ Die Band Space spekuliert auf viele Dreiminutenwunder

Kommt eine Band aus Liverpool und versucht sich an glamouröser Popmusik, fehlt als Handgepäck für die stillen Tage im Klischee nur noch der passende Dialekt. Und siehe da: Tommy Scott, der 27jährige Sänger und Gitarrist der derzeit schwer aufstrebenden und bereits zu Zeiten ihres Debütalbums „Spiders“leicht abgedrehten Band Space, gibt sich durch seinen Akzent als bodenständiger Liverpudlian zu erkennen. Vom Showbizz' läßt der sich natürlich trotzdem nichts vormachen: „Wir sind einfache Jungs aus der Arbeiterklasse. Daher machen wir uns auch keine Gedanken darüber, daß man uns jetzt für Popstars hält.“Bei soviel Realitätssinn ist das derzeit wichtigste Thema in der Band natürlich auch nicht die Frage, wie es denn nach den ersten drei Hits nun künstlerisch weitergehen könnte.

Viel drängender sind andere Loyalitäten: „Unser neuer Drummer Liam ist ausgerechnet Everton-Fan. Das ist natürlich hart für den Rest von uns, die wir ansonsten seit Ewigkeiten den FC Liverpool unterstützen.“Und hätte nicht Punk eines Tages Tommys Plattensammlung durcheinandergewirbelt und damit die Anforderungen an technische Perfektion heruntergeschraubt, wäre natürlich auch er Fußballer geworden. Die Entscheidung für Musik führte jedoch nicht sofort zum Erfolg: „Jahrelang warf mir mein Vater, der höchstens Frank Sinatra schätzte, vor, das sei alles ziemlicher Mist. Um wenigstens etwas vorweisen zu können, lernte ich ,The Girl from Ipanema'. Als er dann starb, schrieb ich ein Lied, das ihm tatsächlich gefallen hätte – das wurde dann unser erster richtiger Hit.“

Aufs schnelle Dreiminutenwunder spekuliert dann auch fast jede Nummer auf dem aktuellen Album „Tin Planet“, das zumindest an Quirligkeit keine Wünsche offen läßt: Es beginnt sachte mit Marc Almond im Quadrat und verliert sich nach Abstechern ins Reich der lyrischen Absurditäten musikalisch in bisher unbekannten Sphären, deren Schmalzgehalt allenfalls von Kitsch-Mutanten ertragen wird. Und da die Geschmäcker der Bandmitglieder so verschieden sind wie Filmmusik, Dance und Mainstreamrock, kommt – mit der nötigen Portion Pomp vermengt – einiges zusammen, was allein ungenießbar wäre.

Das scheint auch beabsichtigt, und wirft man einen Blick auf das rätselhafte Albumcover, das ein metallenes Bastelset mit unklarem Ergebnis zeigt, passen Verpackung und Inhalt, Sinn und Form sogar zusammen: „Ein Freund von uns ist Bildhauer. Da er einfach nichts wegwerfen kann, recycelt er es, indem er daraus rätselhafte Skulpturen herstellt. Das ist wohl auch unser Ansatz: Wir machen aus den Resten der Popmusik, die eigenlich nicht mehr zusammenpassen, neue und glitzernde Dinge.“

Gunnar Lützow

Space treten zum Konzertmitschnitt heute, 20. April, „absolute live“im Fernsehstudio III von Radio-Bremen, Hans-Bredow-Straße, auf. Restkarten gibt's hier und heute in der taz -Verlosung. Der Mitschnitt ist am 10. Juni um 24 Uhr (bzw. am 11. Juni, 0 Uhr) auf N3 zu sehen.

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