piwik no script img

Reisepaß für Faradsch Sarkuhi

Der iranische Schriftsteller bekommt von der Teheraner Paßbehörde ein Reisedokument. Jetzt will er ein deutsches Visum beantragen, um seine Familie zu besuchen  ■ Von Thomas Dreger

Berlin (taz) – Der iranische Regimekritiker Faradsch Sarkuhi (50) hat wieder einen Reisepaß. Am Samstag sei er mit seiner Anwältin Schirin Ebadi zur Teheraner Paßbehörde gegangen und habe das Dokument erhalten, berichtete er telefonisch der taz. Nun werde er bei der deutschen Botschaft ein Visum beantragen, um endlich seine in Berlin lebende Frau und die beiden Kinder zu besuchen. Sarkuhi bedankte sich bei „allen Menschen, die mich mit Briefen und Faxen an die iranischen Behörden unterstützt haben“. Die internationale Unterstützung habe seine Haftentlassung und die Ausstellung des Passes ermöglicht.

Mit der Aushändigung des Reisedokuments neigt sich ein grausames Spiel dem Ende zu, das iranische Behörden seit dem 3. November 1996 mit dem Schriftsteller betreiben. Damals wollte Sarkuhi mit einer Maschine der Iran Air nach Hamburg fliegen und von dort nach Berlin weiterreisen. Doch auf dem Teheraner Flughafen wartete der iranische Geheimdienst auf ihn. 47 Tage fehlte von dem Dissidenten jede Spur, dann ließen ihn die Agenten wieder auftauchen. Auf einer inszenierten Pressekonferenz mußte Sarkuhi behaupten, er sei die Zeit in Deutschland gewesen, habe aber dort keinen Kontakt zu seiner Familie aufgenommen. Als angeblichen Beweis präsentierten die iranischen Behörden kurz darauf fotokopierte Seiten von Sarkuhis Paß mit deutschen Einreisestempeln. Bis heute konnte nicht geklärt werden, ob die Stempel gefälscht sind oder ob der iranische Geheimdienst eine andere Person mit Sarkuhis Paß nach Deutschland geschickt hat. Wohl auch um den Verdacht auszuräumen, iranische Stellen hätten deutsche Stempel gefälscht, verlangte Teherans Paßbehörde von Sarkuhi wiederholt eine schriftliche Erklärung, daß er seinen Paß „verloren“ habe. Auch am Samstag wurde diese Forderung erhoben. Doch als der Schriftsteller und seine Anwältin protestierten, händigten ihnen die Beamten einen neuen Paß ohne Bedingungen aus. Sarkuhi war es im Januar 1997 gelungen, einen aufsehenerregenden Brief aus dem Iran zu schmuggeln. Darin strafte er die offizielle Darstellung Lügen. Unter anderem dieser Brief brachte dem Schriftsteller einen Prozeß vor einem Revolutionsgericht wegen „Propaganda gegen die Islamische Republik“ ein. Im September 1997 wurde er zu einem Jahr Haft verurteilt. Weil die iranischen Behörden die angebliche Untersuchungshaft anrechneten, und auch weil sich hinter den Kulissen der vergleichsweise moderate neue Präsident, Mohammad Chatami, für Sarkuhi einsetzte, wurde dieser am 28. Januar aus dem Gefängnis entlassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen