Village Voice: Doo whap super cool
■ Hitmaschine Stereo Total: „Juke-Box Alarm“ rappelt wieder tüchtig in der Kiste
Daß es in den besten Beziehungen zu gefährlichen emotionalen Schieflagen kommen kann, weiß man aus eigener Erfahrung. Die Anlässe dafür sind meist schrecklich lächerlich und haarsträubend. Weswegen es nicht erstaunt, daß es im Hause Brezel Göring/Françoise Cactus ein wenig krachte, weil man sich nicht auf einen Titel für das neue „Stereo Total“-Album einigen konnte. Zur Diskussion standen „Mutant-Disco“, „Party-Antikonformist“, „Delirium in Hifi“ (Vorschläge von Brezel) und eben „Juke-Box Alarm“ (Françoise). Jeder für sich schon knuffig genug, mit schimmerndem Pop-Glanz. Kein Anlaß für Zwist. Weil Françoise aber „mit leuchtenden Augen“ immer wieder „Juke-Box Alarm“ summte, gab der Galan Brezel zwecks Hausfrieden großzügig nach.
Danach entspannte man sich erst mal mit einer Tour durch Japan, wo das Album als erstes veröffentlicht wurde. Der Erfolg war umwerfend, denn ein gestandener Mann wie Brezel ließ die Herzen gerade der jüngsten Japanerinnen schmelzen und höher schlagen und noch vieles mehr (nachzulesen im bald in dieser Zeitung erscheinenden Tour-Tagebuch).
Aber auch mit „Juke-Box Alarm“ kann man's in der Kiste rappeln lassen. Schon beim ersten Song „Holiday Inn“ möchte man am liebsten Eierlaufen und Sackhüpfen spielen oder auf der Tanzfläche loshoppeln: Erst setzt ein verquerer Synthiebeat ein, dann kommen Pianogeklingel und ein dumpfes Schlagzeug, und schließlich flötet Françoise, wie sie jemandem im Holiday Inn etwas zeigen möchte. Was auf englisch „it“ heißt, auf deutsch „es“.
„A little bit strange but really funny“ heißt ein Leitsatz aus diesem Song, der fürs ganze Album gilt. Natürlich geht es wieder um Sex (sehr viel), um Liebe (auch viel) und um das Innenleben von Katzen und Kätzchen (zweimal); öfters ist auch Sinnfreiheit das Gebot; natürlich kommt wieder eine große Anzahl von schrottigen Synthezisern zum Einsatz. Und natürlich erinnern einen die vielen Details und Melodien an Songs, die man irgendwo schon mal gehört hat. Bei Donna Summer, Alan Vega oder irgendwelchen französischen Chansonsängern: beispielsweise Stella, die als Schülerin 1966 mit „Si vous connaissez quelque chose de pire qu'un vampire, parlez m'en toujours, ça pourra peut-être me faire sourire“ einen einzigen Teenie- Twist-Hit hatte, den Stereo Total hier als „Film D'Horreur“ wieder ausgraben.
Nicht schwieriges drittes Album, sondern Hitmaschine Stereo Total, die hier zu Höchstform aufläuft und ihren Himmel voller melodiöser Geigen hängt. Nicht mehr so sehr das (immer auch etwas bemühte) „Kaputtmachen“ steht hier im Vordergrund, sondern flockiger Teenage-Appeal, der aus vielen Stücken Gassenhauer und Hits macht. Einen Guildo Horn müßten Stereo Total damit total an die Wand spielen. Wonach ihnen gar nicht der Sinn steht, obwohl sie ja selbst gegen eine Grand-Prix-Teilnahme nichts einzuwenden hätten.
Wenn's dafür auch nächstes Jahr nicht reichen sollte, werden zumindest Beckmanns „Ran“- Leute bald auf einen Song wie „Super Cool“ kommen. Dann hätten sie neben ihren „Megaspielen“ und „supergroßen Analysen“ mit Zeilen wie „Whap doo wap doo wap super cool“ auch wieder etwas zu beißen – und einen Superduperhit dazu.
Und selbst wenn Stereo Total mittlerweile wirklich fast zu gute, alte Bekannte sind und überall auftreten, wo es krumm und komisch zugeht, mit Beatles-Coverversionen, lupenreinem French-Punk oder Schreieinlagen bei Golden-Showers- Gigs: Berlins Most Wanted sind sie allemal. Denn auch Stereo Total wissen: Ferien für immer ist nicht. Gerrit Bartels
Stereo Total: „Juke-Box Alarm“ (Bungalow/Efa)
Konzert am 24.4. im Kesselhaus mit Stereo Total, den Pop Tarts und dem Jeans Team
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