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Der Bauunternehmer als Opfer

■ "Wer verdient am Bau?" fragte die Heinrich-Böll-Stiftung bei einer Diskussionsveranstaltung. "Wir nicht", erklärten die Baufirmen und verwiesen auf den internationalen Wettbewerb und die bösen Auftraggeber. Kr

Der Billigere überlebt. So lautet das Darwinsche Gesetz nicht nur in der Berlin-Brandenburgischen Bauwirtschaft. Aber dort besonders. Diethrich Mertens, Sekretär der Industriegewerkschaft Bau, kennt ein treffendes Beispiel: „Es gibt keine einheimischen Eisenbieger mehr.“ Die Arbeiter, die am Potsdamer Platz, Brandenburger Tor oder im Spreebogen die Stahlskelette für Betondecken legen, kommen ausschließlich aus Irland, Portugal, Rußland und anderen Nachbarländern. Denn sie sind billiger: Sie verdienen drei, fünf, vielleicht zehn Mark pro Stunde, während ihre deutschen Kollegen kaum unter 15 Mark zu bekommen sind.

Bei einer Diskussionsveranstaltung der Grünen-nahen Heinrich- Böll-Stiftung (Titel: „Wer verdient am Bau?“) illustrierte der Gewerkschafter am Mittwoch abend die Lage der regionalen Bauwirtschaft. Trotz Baubooms ist sie gekennzeichnet durch eine zunehmende Zahl von Konkursen und Arbeitslosen (siehe Kasten).

Wer ist dafür verantwortlich? „Wir nicht“, beteuerten einstimmig die beiden Vertreter der Baufirmen. Axel Wunschel, Geschäftsführer des Bauindustrieverbandes, der die mittleren und großen Unternehmen vertritt, erklärte die Krise exemplarisch so: Bei einem großen Bauvorhaben hätten die drei billigsten Firmen dem Auftraggeber kürzlich einen Preis von 58 bis 60 Millionen Mark genannt. Darunter, so die ursprüngliche Position der Bauunternehmen, sei der Auftrag nicht kostendeckend auszuführen. Schließlich sei es dem Bauherren aber gelungen, den Preis auf weniger als 45 Millionen Mark zu drücken, berichtete Wunschel: „Eine Kriegserklärung.“

„Die Baufirmen müssen oft noch Geld mitbringen“, assistierte Wolf Burkhard Wenkel, der bei der Fachgemeinschaft Bau die kleineren Firmen vertritt. Um wenigstens einen Teil der Kosten zu decken, nähme so mancher Betrieb Aufträge an, die ihm mit Sicherheit Verluste bescherten. In dieser Lage, so die unausgesprochene Botschaft der Wirtschaftsmänner, müßten die Firmen einfach billige ausländische Subunternehmer mit ihren Niedriglohnmaurern beschäftigen, um den Konkurs zu vermeiden. Wer verdient also am Bau? „Nur die Bauherren“, erklärte Wenkel. Denn die könnten nach Belieben die Preise drücken.

Der Bauunternehmer ein Opfer der Globalisierung. Seit 1993 der ungehinderte Austausch von Arbeitskräften und Dienstleistungen in der Europäischen Union eingeführt wurde, seinen „sämtliche Sicherungen durchgebrannt“, beklagte Baulobbyist Wunschel. Tragfähige Regulierungsmechanismen fehlten. Und Burkhard Wenkel ergänzte, daß der Euro dem normalen Baubetrieb „überhaupt nichts bringt“ – allenfalls noch internationalen Konzernen.

Der Unternehmer-Sichtweise freilich wollte sich Norbert Cyrus, Sprecher des Polnischen Sozialrats, nicht anschließen. Man könne nicht den namenlosen Wettbewerb für alles verantwortlich machen. Schließlich würden sich die Firmen gegenseitig unterbieten und damit die Preisspirale selbst weiter nach unten drehen. Sie seien auch aktiv daran beteiligt, die Arbeitslosigkeit zu steigern und die Löhne zu drücken, meinte Gewerkschafter Mertens. Sein Vorschlag: Der Generalunternehmer, der die Baustelle leite, müsse sicherstellen, daß gesetzlicher Mindestlohn, Steuern und Sozialabgaben auch von den Subunternehmern gezahlt würden. Dafür müßten die großen Baufirmen haftbar gemacht werden. Bauindustrievertreter Wunschel lehnte diese Idee ab.

Schon im vergangenen Jahr, als auf Bundesebene über den Mindestlohn für ausländische Arbeiter verhandelt wurde, zeigten sich die Spitzenverbände der Bauarbeitgeber wenig bereit, die einheimischen Arbeitnehmer zu schützen. Denn der schließlich vereinbarte Mindestlohn lag meileinweit unter dem bundesdeutschen Tarif, was ausländische Billiganbieter und ihre hiesigen Auftraggeber begünstigt. Hannes Koch

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