piwik no script img

■ Die Zukunft des Beamens und seine SozialverträglichkeitHalbe Japaner in der Badewanne

Warum begeistern sich Studentinnen mit kanariengelbem Stoppelhaar, gepierctem Nabel und Nasenring, die sich winkend und hüpfend wie Pipi Langstrumpf im Taka-Tuka-Land von ihren KommilitonInnen verabschieden, für esoterischen Firlefanz wie Aurafotoseminare oder Erlebnismeditationen mit Zeitreisen in frühere Leben als Kräuterweiblein, Lachmöwe oder krause Glucke? Um dies herauszufinden, ließ ich mich auf eine Fachsimpelei ein. Das Thema: Beamen.

Ich erfuhr, daß die Japaner drauf und dran sind, das Beamen in echt zu erfinden. Es wäre ja nicht das erste Mal, daß der Mensch in der Zeitspanne nur eines Lebens Fiktionen realisiert und sogar übertrifft. Von der Erde zum Mond, in 80 Tagen um die Welt, alles alter Käse, wie Otto Rehhagel sagt. Längst sind Tierbeamversuche im Gange, im Dunstkreis der Forscher kursieren schon Freiwilligenlisten, keine Frage. Sinnvoll wäre das, Tokio ist ja so menschenüberfüllt, daß man in Schubladen schläft. Der Japaner könnte sich ohne Zeitverlust zum Nachtschlaf nach Heidelberg in eine nette Familienpension beamen lassen. Seine Dreizehnjährigen, die neuerdings ständig mit Messern aufeinander losgehen, müßte er nicht in teure Besserungsanstalten sperren, sondern er könnte sie nach der Schule nach Alaska beamen, wo sich ihre erhitzten Gemüter abkühlen würden. Ich war erstaunt über die Kreativität der Studentin in Fragen der potentiellen Relevanz des Beamens für die sozialpädagogische Krisenintervention.

In der Erprobungsphase wird es noch Probleme mit der Präzision geben: Molekülverschiebungen zwischen De- und Rematerialisierungsphase, Quark- und Materialverluste, Zielfehler. Vielleicht werden beim Rematerialisieren Teile vergessen oder Extremitäten vertauscht, Beine an Schultern, Hände an Ohrmuscheln, Nasen an Kinne gebeamt. Wir stellen uns vor, wie Japaner im Kimono während der Rushhour plötzlich mitten auf dem Ku'damm erscheinen und halbe Japaner sonntagsabends in unserer Badewanne auftauchen, falls der Beaminspektor beim Berechnen der Koordinaten der Heidelberger Pension einmal schlampen sollte, weil er seinerseits sonntagsabends über Gebühr dem Reiswein zugesprochen haben wird (in Japan ist ja mittlerweile Montag morgen).

Schlampt der Inspektor arg, muß man mit ungebetenen Gästen rechnen, die aussehen, als seien sie japanische Versionen materialisierter Vorstellungen des Herrn Eugen Egner bei defektem Ganghoferapparat. Doch das ist eine andere Geschichte, die man im Universumsstulp nachlesen möge. Dort werden die Helden zu Brotaufstrich transmaterialisiert und als Agenten zwischen Stullen in die chinesischen Gemächer des Papstes eingeschleust. Gröbster Unfug, das, da waren wir uns einig, die kanariengepiercte, stoppelnablige Studentin und ich.

Der Antwort auf die eingangs gestellte Frage bin ich nicht näher gekommen. Wäre ich Erbe eines Tabakimperiums, würde ich ein Team aus arbeitslosen Psychologen, Soziologen und Ethnologen damit beschäftigen, sie herauszufinden. Joachim Frisch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen