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Italiens Eisenbahnen unter Polizeischutz

Zwei Morde an Frauen in Zugtoiletten führen zu öffentlichen Warnungen und massiven Sicherheitsmaßnahmen. Die Behörden spekulieren über eine Querverbindung zu den Prostituiertenmorden in Genua  ■ Aus Rom Werner Raith

Der Lautsprecher in Roms „Stazione Termini“ wiederholt es immer wieder; die Radios plärren es hinaus und im Fernsehen wiederholen sich die Warnungen stündlich: Wer abends Italiens Züge besteigt, speziell im nördlichen Ligurien, möge sich in die vorderen Abteile begeben, möglichst nicht die Toilette aufsuchen und sich vertrauensvoll ans Personal wenden, sofern einem etwas Merkwürdiges auffällt.

Italiens Staatsbahnen suchen mit einem gefährlichen Phanton zurechtzukommen, das viele Fahrgäste bereits in schiere Panik versetzt hat: Zweimal innerhalb von 14 Tagen wurden Frauen ermordet auf der Zugtoilette aufgefunden, beide nach der gleichen Manier erschossen. Sie mußten sich niederknien, ihre Jacke ausziehen, und diese diente dann für die aufgesetzte Pistole als Schalldämpfer.

Daß die Morde in Ligurien nahe Genua geschahen, hat die Ängste noch mehr angeheizt: Hier nämlich ist zur Zeit auch noch ein weitere Mordserie zu beobachten, an Prostituierten vorwiegend aus dem Milieu albanischer Zuhälterbanden. Acht Frauen wurden bereits umgebracht – und daß dabei wie bei den Eisenbahnmorden eine Pistole vom Kaliber 38 benutzt wurde, hat natürlich sogleich Spekulationen auf mögliche Querverbindungen ausgelöst. Und damit nicht genug: Auch der Mord an einem Wachmann vor einem halben Jahr könnte mit der Serie verbunden sein – er wurde im Lift umgebracht, und zwar auf dieselbe Art wie die Frauen auf den Eisenbahntoiletten.

Daß es ausgerechnet Ligurien trifft, eine seit Jahrzehnten allenfalls von Stürmen oder Schiffskollisionen, aber nicht von Gewalttätigkeiten erschütterten Region, gibt den Ermittlern besonders große Rätsel auf. Hat sich unter der ruhigen Oberfläche eine besonders brutale, möglicherweise organisierte Kriminalität eingenistet? Oder handelt es sich um einen neuen Terrorismus, etwa gegen die umweltzerstörerischen Schnellbahnprojekte? Oder sind da doch nur ein paar irre Einzelgänger zugange?

Die bisherigen Ergebnisse der Polizei tragen nicht sonderlich zur Beruhigung der Bevölkerung bei: Dreimal wurde schon das Phantombild des Hauptverdächtigen veröffentlicht, jedesmal völlig anders gestaltet als vorher. Und ob die Pistole in allen Fällen dieselbe war, ist auch noch nicht klar – Schußwaffen vom Kaliber 38 gibt es allein in Italien mehr als eine Million, zur Analyse geeignete Kugeln wurden nur bei den Prostituiertenmorden gefunden.

So bleibt zunächst die Prävention die einzige Abhilfe. Da der Täter im Zug zweimal jeweils am Sonntag zugeschlagen hat, sind nun am Wochenende mehr als tausend Zivilfahnder aufgeboten, die Züge zusätzlich zum uniformierten Personal zu überwachen. Und damit die Fahrgäste sich auch ans Gebot möglichster Konzentration in wenigen Abteilen halten, werden die hinteren Waggons in der Region Ligurien spätestens ab 19 Uhr abends einfach abgesperrt.

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