Kosovo-Albaner zwischen Hoffnung und Skepsis

■ Kontaktgruppe berät heute über Schritte gegen Serbien. Albaner sehen darin einzige Chance

Priština (taz) – „Ihr müßt die serbischen Militärs stoppen“, rufen die Leute in Hereq und den anderen unter Belagerung stehenden albanischen Dörfern im Kosovo. „Nur die internationale Gemeinschaft kann noch etwas für uns tun.“ Die albanische Bevölkerung ist über die Beschlüsse der EU und das Treffen der Kontaktgruppe gut informiert. Die Androhung von Sanktionen der EU wird mit einem Lachen quittiert. Daß Serbien keine Wasserwerfer und Polizeiausrüstungen mehr bekommen soll, erscheint angesichts des Maschinengewehrfeuers einfach komisch. „An Ausrüstungen fehlt es denen gewiß nicht. Hier geht es um eine Armeeaktion und nicht um Demonstrationen in Belgrad“, sagt ein Dorfbewohner.

An einem serbischen Kontrollpunkt nahe der Stadt Djakovica herrscht eine andere Stimmung. Die Milizionäre sind aggressiv. Nach der Überprüfung des Autos zerreißt einer von ihnen die vom serbischen Informationsministerium ausgestellten Papiere, die zur Fahrt in die Region nötig sind. „Verschwinden Sie von hier.“

Doch an einem anderen Kontrollpunkt, schon weiter von der „Konfliktzone“ entfernt, lassen sich die Milizionäre auf eine Diskussion ein. „Die Sanktionen der EU sind uns ziemlich egal, das sind wir ja gewohnt. Wir wären nur sauer, wenn wir von der Fußballweltmeisterschaft ausgeschlossen würden“, flachst der Kommandeur. Zusammen mit den von ihnen als die „größten Feinde Serbiens“ bezeichneten Ländern USA und Deutschland sowie den „Fundamentalisten aus dem Iran“ in einer Gruppe – das ist genau nach dem Geschmack der Polizisten. „Unsere Jungs werden kämpfen bis zum Umfallen.“

Für solche Überlegungen haben die politischen Repräsentanten der Kosovo-Albaner keine Zeit. Noch hoffen sie auf das für heute angesetzte Treffen der Kontaktgruppe in Rom. Daß nicht mal die Außenminister zur Diskussion der Kontaktgruppe geschickt werden, hat Enttäuschung hervorgerufen. Sprecher des Präsidenten der Kosovo-Albaner, Ibrahim Rugova, vermuten, daß vor allem Rußland und Frankreich weitergehende Maßnahmen gegen das Milošević- Regime verhindern wollen.

Auch die deutsche Position wird als unsicher beschrieben. Außenminister Klaus Kinkel habe mit seinen Äußerungen in Belgrad vor wenigen Wochen mehr Interesse an einer schnellen Rückkehr der kosovo-albanischen Flüchtlinge aus Deutschland gezeigt denn an einer politischen Lösung des Konflikts.

Kosovo-albanische Intellektuelle in Priština fürchten, die internationale Gemeinschaft habe mit ihren ständigen Hinweisen, Kosovo sei ein Teil Serbiens, die Grenzen zu den Nachbarländern müßten gesichert werden, mit den Planspielen um einen „Korridor für Flüchtlinge“ über Makedonien nach Albanien Milošević freie Hand für die Militäraktion gegeben. Die internationale Gemeinschaft wolle den Konflikt nur eindämmen, dränge jedoch nicht auf einen echten Kompromiß. Allein die Ankündigung der USA, wenn nötig aus der Kontaktgruppe auszusteigen, lasse etwas Hoffnung. Nach dem Scheitern der Pendeldiplomatie von Sonderbotschafter Gelbard seien die USA und Großbritannien auch zu militärischen Drohungen gegenüber Milošević bereit, hoffen sie.

In der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro regt sich unterdessen immer mehr Protest gegen die serbische Politik im Kosovo. Montenegro möchte einen politischen Kompromiß, hatte schon vor Wochen Präsident Milo Djukanović erklärt. Daß montenegrinische Repräsentanten am Montag nicht zu einem Empfang Milošević' in Belgrad eingeladen wurden, deutet auf wachsende Spannungen. Schon häufen sich Informationen über die Desertion montenegrinischer und serbischer Soldaten aus der jugoslawischen Armee im Kosovo. So wurden am letzten Wochenende in Pec (Peja) 10 Uniformen gefunden. Drei Mann sollen mit einem Taxi nach Südserbien entkommen sein. Erich Rathfelder