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Die Freiheit und ihre Grenzen

■ Opposition aus Geldmangel: Heute vor einhundert Jahren wurde die Berliner Secession gegründet – die große Zeit der neuen Künstlervereinigung dauerte allerdings nicht allzu lange

Sein Name ist längst vergessen, aber die Empörung, die in ihm arbeitete, hat sich bis heute überliefert. „Eine Reihe von schwarzen Klecksen auf einer mit dem Spachtel aufgetragenen Fläche. [...] Und daneben eine Reihe von weißen Klecksen, auf einem vorwiegend schwarzen Farbenragout. Das sind“, so der anonyme Rezensent in grenzenlosem Unverständnis, „zwei Bilder, von denen das eine die Linden, das andere die Leipziger Straße darstellen sollen.“

Der Maler, gegen den sich diese Kritik richtete, war der 1861 in Birnbaum bei Posen geborene Lesser Ury, einer der herausragenden Protagonisten der sozialkritisch orientierten Kunst in Deutschland. Zwar sollte der als „eigenwillig“ verschriene Ury, der sich nach Aufenthalten in Düsseldorf und München 1887 in Berlin niedergelassen hatte, zeit seines Lebens ein Einzelgänger bleiben, doch war die Ablehnung, auf die er stieß, bezeichnend für das Klima in der konservativ geprägten Kunstszene Berlins gegen Ende des vorigen Jahrhunderts.

Zwei Institutionen beherrschten damals das Geschehen: die Akademie der Künste und der Verein Berliner Künstler. Sie waren es, die darüber entschieden, wer an den regelmäßig stattfindenden Großen Salons teilnehmen durfte. Die Teilnahme an den Salons bedeutete nicht nur Ruhm und Anerkennung, dahinter standen auch handfeste – und aus der Sicht der Künstler durchaus legitime – wirtschaftliche Interessen. Es war eigentlich ganz einfach: Ein funktionierender, von der offiziösen Kunstauffassung unabhängiger Kunsthandel war im Berlin des 19. Jahrhunderts praktisch inexistent. Daher konnte sich nur Hoffnungen machen, Bilder zu verkaufen, wer auf den Großen Salons vertreten war.

Umgekehrt bedeutete dies, daß diejenigen, die von den Jurys abgelehnt worden waren, sich permanent in großen finanziellen Schwierigkeiten befanden. Als dann auch das Gemälde „Grunewaldsee“ von Walter Leisikow zurückgewiesen wurde, war für die Unzufriedenen das Maß voll. Heute vor genau einhundert Jahren, am 2. Mai 1898, riefen Maler wie Max Liebermann, Curt Herrmann und eben Walter Leistikow die Berliner Secession ins Leben.

Die neue Künstlervereinigung, der insgesamt 65 Maler und Bildhauer angehörten, war für damalige Verhältnisse ungewöhnlich liberal. Ein Beispiel, so kurios es klingen mag: Im Gegensatz zum Verein Berliner Künstler, von der Akademie der Künste ganz zu schweigen, wurden auch Frauen aufgenommen. In den folgenden Jahren entwickelte sich die Secession, die bald über ein eigenes Ausstellungsgebäude an der Kantstraße (neben dem Theater des Westens) verfügte, zu einem Ort, an dem all das präsentiert werden konnte, was in der streng akademisch ausgerichteten Kunst keinen Platz fand, insbesondere der von deutsch-nationaler Seite angefeindete Impressionismus.

Die Hochzeit der Secession dauerte allerdings nicht lang. Zur neuerlichen Abspaltung und Gründung der „Neuen Secession“ kam es, als die Secessionisten das taten, was den meisten von ihnen wenige Jahre zuvor widerfahren war: Sie verweigerten den jungen Expressionisten um die „Brücke“- Maler Kirchner, Pechstein und Heckel den Zugang zu ihren Ausstellungen. Ulrich Clewing

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