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■ Die extreme deutsche Rechte ist keine respektable Erscheinung, die französische dagegen macht etwas her, sie ist selbstsicher und eloquentNationalismus im Chanel-Kostüm

Zwei Bilder gehen mir seit Sonntag im Kopf herum.

Erstes Bild: Deutsches Fernsehen, Ankunft Gerhard Freys im Landtag Sachsen-Anhalt am Sonntag abend. Im Geleitzug seiner glatzköpfigen Leibwachen dringt er durch den Journalistenpulk zu den neugewählten Abgeordneten der DVU vor. Ein gewisser Helmut Wolf, eine gewisse Claudia Wiechmann... Zu eng geschnittene Anzüge, ein unbehagliches Lächeln – die Neuen bringen nicht mehr als drei unzusammenhängende Sätze hervor. Sie schaffen es nicht, an diesem Abend eine Presseerklärung herauszugeben. Die extreme deutsche Rechte! Keine sehr respektablen Erscheinungen.

Zweites Bild: In einem französischen Magazin das Foto von Cendrine Le Chevallier. Das ist die Ehefrau des abgesetzten Bürgermeister von Toulon, die sich bei den Gemeindewahlen als Statthalterin präsentiert. Ihr Mann: Jean- Marie Le Chevallier, Ex-Bürgermeister und Ex-Abgeordneter der Front National in der Pariser Nationalversammlung, dessen Wahl für ungültig erklärt worden war wegen einer dreifachen Verletzung des Gesetzes über die Finanzierung der Wahlkampagne. Cendrine Le Chevallier trägt ein Chanel-Kostüm in Marineblau. Sie liest ihren Kindern auf einem Empiresofa vor. Die Kleinen heißen Marie und Diane (bitte, die Noblesse dieser alten französischen Vornamen zu beachten). Sie tragen weiße Socken, Faltenröcke und Matrosenblusen. Die extreme französische Rechte! Sie macht wirklich was her, ist mit Familie, Vaterland und Bourgeoisie verbunden. Cendrine Le Chevallier wurde in einer royalistischen und ultrakatholischen Familie geboren. Sie ist selbstsicher und eloquent. Eine vollkommen respektable Erscheinung.

Zwei Bilder, die das Ausmaß des Unterschiedes zwischen der deutschen und der französischen Rechten beleuchten. In Sachsen- Anhalt schreit die DVU „Sieg!“. Aber auf nationaler Ebene marschiert die extreme Rechte unter unterschiedlichen Bannern: DVU, NPD, „Republikaner“. Die DVU ist eine Phantompartei, auf örtlicher Ebene kaum verankert, aus München ferngesteuert, ideologisch kaum gefestigt. Sie ist die Partei eines einzigen Mannes: Gerhard Frey.

In Frankreich hingegen ist die Front National die einzige Sprecherin der extremen Rechten. Eine Partei, die ihre fremdenfeindlichen und nationalistischen Slogans mit einem ehrbaren rhetorischen Mantel umgibt. Im Lauf der Jahre hat die Front einen gutgeölten Professionalismus entwickelt. Sie hat ihre Funktionäre, ihre Clubs, ihre Medien. Eine Partei, der es im Lauf von 15 Jahren gelungen ist, zu einer politischen Kraft zu werden, mit der man rechnen muß. Mit den letzten Regionalwahlen des 15. März hat die Front National die politische Landschaft vollständig umgepflügt und die demokratische Rechte in eine profunde Krise gestürzt. Fünf Kandidaten der UDF, das heißt der gemäßigten und demokratischen Rechten, haben sich mit Hilfe der Stimmen der Front National auf den Posten der Regionalpräsidenten hieven lassen. Nur zwei sind aufgrund des allgemeinen Protestes zurückgetreten.

13 Prozent der Deutschen in Sachsen-Anhalt haben für die DVU gestimmt. Es handelt sich in ihrer erdrückenden Mehrheit um junge Leute, die meisten von ihnen arbeitslos oder auf dem Wege, es zu werden. 30 Prozent der unter Dreißigjährigen haben für die DVU gestimmt...

15 Prozent der Franzosen stimmen regelmäßig für die Front National. Das ist eine loyale Stammwählerschaft, Franzosen aller Altersgruppen und aller sozialen Milieus. Sie haben ihr Votum für die extreme Rechte solide begründet. Die Wahlergebnisse der extremen Rechten in Frankreich sind keine vorübergehende Episode. Der einzige optimistische Ton in diesem tristen Bild besteht in der Vermutung, daß sich das Wahlpotential der Front National bei rund 15 Prozent stabilisiert, das heißt, erschöpft hat.

Gewiß zeigen die 13 Prozent DVU-Stimmen vom letzten Sonntag Besonderheiten Ostdeutschlands, und man muß nicht befürchten, daß bei der Bundestagswahl am 27. September ein ähnliches Ergebnis herausspringt. Die Edelfedern und trainierten Psychologen, die nach der Wahl von den Medien zu Hilfe gerufen worden sind, wiederholen unisono die Besonderheiten dessen, was man schon unter dem Begriff „Magdeburg-Effekt“ katalogisiert hat. Die jungen Deutschen im Osten hätten allen Grund, ihre Enttäuschung auszudrücken: Die höchste Arbeitslosenrate in Deutschland, tiefe Erniedrigung. Denn der Westen begieße zwar den Osten mit Geld, aber er biete den Ossis keinerlei Anerkennung. Auch fehle es im Osten an den guten demokratischen Manieren, weil die Menschen dort 1945 von einer Diktatur in die andere gefallen sind. Die Liebe zur Autorität – ein aus den Zeiten der DDR ererbter Infantilismus.

Aber die Wessis sollen sich nicht damit einlullen, daß sie das Ergebnis von Magdeburg mit einer Prise Verachtung und einer gehörigen Portion Erleichterung zur ostdeutschen Spezialität erklären. Wie vereinbart sich dies mit der CSU- Verlautbarung zwei Tage nach der Wahl in Magdeburg, daß die Christsozialen im Bundestagswahlkampf den Akzent auf „Innere Sicherheit“ und „Ausländer“ legen wird? Wenn es nur die Ossis wären, die für die Neonazis votieren, warum hat dann der Kandidat Schröder vor einigen Monaten erklärt, daß man ausländische Straftäter ausweisen müsse, womit er Kriminalität und Ausländerstatus absichtsvoll zu vermengen riskiert hat?

Den Schwarzen Peter nach Osten schieben, die Wahlresultate in Sachsen-Anhalt als unangenehmes, aber ungefährliches Ereignis bezeichnen, das heißt eine Kleinigheit vergessen: In Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen und Baden-Württemberg haben sich die Wähler, wenngleich in geringerem Ausmaß, von der extremen Rechten verführen lassen. Und das sind nicht die zurückgebliebenen Gebiete der „Zone“. Das Spiel der extremen Rechten zu spielen, indem man ihre Themen aufgreift, um um jeden Preis Wählerstimmen an sich zu binden, das ist brandgefährlich! Der erste Kompromiß ist hier bereits der Anfang vom Ende. Wenn die traditionellen Parteien nicht wachsam sind, riskiert Deutschland, in einigen Jahren sich mit einem Front-National-Effekt wiederzufinden. Einer stabilen extremen Rechten, die den traditionellen Parteien das Gesetz ihres Handelns aufzwingt. Pascale Hugues

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