: Viele Ideen, aber kein Geld für KZ-Gedenkstätte
■ Was wird aus dem ehemaligen KZ Flossenbürg? Auf einer Ideenwerkstatt plädiert Wolfgang Benz für Einbindung der Gedenkstätte in das öffentliche kulturelle und soziale Leben vor Ort
Flossenbürg (taz) – Der Weg zum anvisierten „Ort des Wissens und Lernens“ ist für die KZ-Gedenkstätte im oberpfälzischen Flossenbürg weit und steinig. Die Schenkung eines 7.000 Quadratmeter großen Areals, das den ehemaligen Appellplatz umfaßt, brachte zwar Bewegung in die Diskussion um die stets im Schatten von Dachau stehende Gedenkstätte. Gelder stehen jedoch nicht zur Verfügung, die Vorschläge einer Ideenwerkstatt zur Ausgestaltung von Flossenbürg in absehbarer Zeit zu realisieren.
„Gedanken hängen nicht vom Geld ab“, lautet denn auch das Motto von Michael Rupp, der als Chef der Landeszentrale für politische Bildung beim bayerischen Kultusministerium seit 1991 für die Gedenkstätte zuständig ist. Vorher war dies Sache der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung, die auf dem KZ-Areal eine Parklandschaft errichtete. Auf den Fundamenten der Häftlingsbaracken waren zuvor Wohnungen für Vertriebene und rund um den ehemaligen Appellplatz Industriehallen errichtet worden. Obwohl mehr als 100.000 Häftlinge in Flossenbürg waren, rund 30.000 Menschen im Granitsteinbruch starben und das Lager von der Ausdehnung her das viertgrößte KZ war, war Flossenbürg ein „vergessenes Lager“, wie die „Arbeitsgemeinschaft ehemaliges KZ Flossenbürg“ stets beklagt.
Als der französische Alcatel- Konzern im August letzten Jahres beschloß, dem Freistaat für den symbolischen Preis von einer Mark das Firmengelände mit dem ehemaligen KZ-Appellplatz, der Wäscherei sowie der Küche und zwei Hallen zu verkaufen, freundete man sich im Kultusministerium nur zögerlich mit dem Geschenk an. Man befürchtete aufgrund der Baufälligkeit der Gebäude Folgekosten in Millionenhöhe. Nachdem die Schenkung, so Rupp, „fast vollzogen“ ist, müssen die Planungen für die Einbeziehung des neuen Areals in Gang kommen.
Zu diesem Zweck lud Rupp jetzt unter anderem Wolfgang Benz vom Berliner Institut für Antisemitismusforschung zum Kolloquium nach Flossenbürg ein. Benz sollte Anregungen zur „Funktion von Gedenkstätten“ liefern und verband sein Votum für den Ausbau von Gedenkstätten wie Flossenbürg oder Sachsenhausen mit einer klaren Absage an ein Holocaust-Museum in Deutschland. „Museen und Geschichtsparks als inszenierte Erlebniswelten“ hätten zwar Konjunktur, aber eine solche „museale Inszenierung am beliebigen Ort“ würde nicht nur „in Konkurrenz treten zu den authentischen Orten“, sondern auch den „Gegenstand Nationalsozialismus mit Hilfe moderner Ausstellungstechnik zwangsläufig ästhetisieren“. In der heutigen Zeit müsse eine Gedenkstätte ein „lebendiger Ort mit Anziehungskraft für die Öffentlichkeit“ und in das „öffentliche kulturelle und soziale Leben“ vor Ort eingebunden sein. Für Flossenbürg bedeutet dies, daß die Gedenkstätte für die Einwohner „erträglich“ sein müsse, sie müsse positiv aufgenommen werden.
Im Sinne einer „lebendigen Nutzung“ forderte Benz, die erst 1986 errichtete moderne Lagerhalle direkt vor dem Appellplatz zu erhalten, obwohl sie am „störendsten Ort überhaupt“ stünde. Sie sollte für kulturelle Veranstaltungen, für Jugendbegegnung, Konzerte oder gar für eine Gedenksitzung des Bayerischen Landtags genutzt werden.
Konkrete Finanzierungszusagen für den Ausbau des Kommandanturgebäudes zum Informations- und Dokumentationszentrum konnte und wollte Michael Rupp jedoch nicht geben. „Es ist mehr als schädlich, konkrete Zahlen zu nennen“, betonte er, denn darauf werde man dann später festgelegt. Angesichts knapper Mittel sollte man sich jetzt „Zeit nehmen für die Entwicklung eines Gesamtkonzepts“. Im Herbst wird der Gedankenaustausch mit Vertretern der Organisationen ehemaliger Häftlinge fortgesetzt werden. Für ein allgemeines Häftlingstreffen fehlt in diesem Jahr das Geld. Bernd Siegler
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