: Der versoffene Bruder in Amerika
■ Die US-Kopie von "Fitz" entwickelt eigenes Profil: "Immer wieder Fitz", freitags, 21.15 Uhr, Sat.1
Die Begegnung mit dem schottischen Gastarbeiter in Manchester war ohne Frage eine erbauliche. Inzwischen aber steht der massige Dr. Fitzgerald ein wenig im Weg herum und versperrt die Sicht. Befugten wie Unbefugten ist es zur Gewohnheit geworden, ihn herbeizuzitieren, sobald die Rede auf gehaltvolles Fernsehen kommt.
Obwohl die britische TV-Serie „Für alle Fälle Fitz“ von einem alle Regeln der politischen Korrektheit verachtenden Kotzbrocken getragen wird, gehört sie doch zum guten Ton. Iwan Petrowitsch Pawlow wäre vermutlich entzückt. Es scheint nachgerade, als habe der telegene Psychorüpel gleichsam Ventilfunktion gerade für diejenigen, die ansonsten säuerlich die Lippen spitzen, wenn scheinbar gegen den Kodex des aufgeklärten Bürgertums verstoßen wird.
Jedoch ist „Für alle Fälle Fitz“ keineswegs ein singuläres Fernsehereignis und erst recht nicht das Nonplusultra aller TV-Serien, denn diesbezüglich hat sich das Werk vor der Zeit erschöpft. Deshalb war die Entscheidung, die Reihe einzustellen, überaus weise.
In den USA aber lebt Fitz weiter. Man ahnt die Quengeleien, die kommen: Das Original sei aber ganz anders. Das ist richtig und begrüßenswert, denn ein Abziehbild wäre ja in erster Linie langweilig. „Immer wieder Fitz“ wurde von der britischen Granada TV für den US-Markt maßgefertigt.
Schon der Name des Helden macht den Unterschied deutlich: Nicht Eddie, sondern Gerry Fitzgerald steht im Mittelpunkt des Geschehens. Er geht dem gleichen Beruf nach wie sein ferner Verwandter, und er hat ähnliche Konflikte zu bewältigen. Manchmal bedient er sich sogar Eddies Vokabular. Aber wir befinden uns in Los Angeles, Fitz hält seine Sprechstunden in einer Radiostation; er ist ein „Pop-Psychologe“, wie einer der Polizeibeamten höhnt, denen er gelegentlich beigeordnet wird, um Täterprofile zu erstellen. Auf diesem Gebiet ist Fitz eine Koryphäe, ansonsten aber – offenbar ein Familienleiden – spielsüchtig, alkoholkrank, beziehungsunfähig, voller Selbsthaß und unheilbar desillusioniert. Er dröhnt sich mit klassischer Musik zu, vernachlässigt Sohn und Tochter, ist dennoch eben noch einmal Vater geworden. Das Honorar für die Entbindungsklinik, die er rüde „Bombenräumkommando“ nennt, hat er in den Schnapsladen getragen. Zudem leidet seine Ehe unter den Nachwehen eines Seitensprungs.
Gewisse Übereinstimmungen sind unübersehbar. James Sadwith, der die Bearbeitung verantwortet, hat Elemente des Originals aufgegriffen, aber umarrangiert und an US-Gegebenheiten angepaßt. Mit der Zeit zeigt der Ableger eigenes Profil, denn nur die ersten zehn Episoden basieren auf Material der Originalautoren Jimmy McGovern und Paul Abbott. Und sowie die Déjà-vu-Erlebnisse nachlassen, wird sich auch Hauptdarsteller Robert Pastorelli ganz gewiß gegen den mächtigen Schatten Robbie Coltranes behaupten können. Harald Keller
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