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Nomaden ohne Nischen

■ Wo Kapitalisten noch Trottel sind: „Ein Zirkus für Sarah“ ist Kinderfilm des Monats

Im Kinderfilm wenigstens ist die Welt noch in Ordnung. Auch wenn „Ein Zirkus für Sarah“ erst drei Jahre alt ist, einen modernen Look und aktuelle Musik sein eigen nennt – sein Geist ist aus den frühen 70ern geborgt. Und das war ja auch nicht die schlechteste Zeit des Kinderfilms. Ein wenig langstrumpfige Anarchie findet sich auch in diesem dänischen Film, aber vor allem ist alles nett und niedlich. Die übelsten Schimpfwörter sind „Lausejunge“ oder „Rabauke“, und wenn man nur ganz doll will und ein reines Herz hat, klappt's sogar mit dem Zaubern.

Sarah und ihre Freunde werden von Spekulanten von dem Grundstück vertrieben, auf dem sie ihre Zirkusaufführung planten, und landen bei der schrulligen Mirabella, die im ehemaligen Spritzenhaus die Schätze eines bewegten Lebens angehäuft hat. Dort läßt es sich prima stöbern und gruseln. Und natürlich wird auch hier aus Gründen der Dramaturgie die heile Welt bedroht, aber: Gut ausgehen muß es sowieso.

Wieder einmal dient der Bulldozer als allzeit gültiges Symbol der kapitalistischen Bedrohung. Die grün überwucherte Baulücke verschwindet, die Kinder ziehen weiter: Nomaden, die sie in unserer Gesellschaft nun mal sind, ohne Nischen und noch zu klein, sich diese selbst zu erkämpfen. Doch nur scheinbar beginnt „Ein Zirkus für Sarah“ wie ein Versuch, tatsächliche kindliche Probleme darzustellen. Schlußendlich lassen sich die Erwachsenen, die diesen Film gedreht haben, doch wieder nur zu dem herab, was sie für kindlich halten, und verwechseln es wie gewohnt mit kindisch: So werden die offensichtlich komplizierten Familienverhältnisse von Sarah niemals wirklich Thema im Film. Eltern gibt es zwar, lassen sich aber nie blicken, der pubertierende Bruder soll auf Sarah aufpassen, überläßt sie aber meist sich selbst, springt andererseits aber als Retter ein. Wäre die Problematik im Film verhandelt, wäre vielleicht auch leichter zu verstehen, warum Sarah und die anderen Kinder sich die Ersatzmutter Mirabella suchen.

Am ärgerlichsten allerdings die Darstellung der bösen Kapitalisten, die sich ständig eins überbraten und vors Schienbein treten wie die Olsen-Bande zu ihren besten Tagen. Diese Trottel bedrohen zwar die Lebensräume der Kinder und der alten Menschen, sind aber wesentlich infantiler als diese. Doch weil die Bedrohung so überhaupt nicht ernst zu nehmen ist, wird schließlich auch der Widerstand lächerlich gemacht. Aber die Kinder im Publikum finden „Ein Zirkus für Sarah“ natürlich trotzdem komisch. Thomas Winkler

Bis 29.5. auf Tournee durch viele Berliner Kinos

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