piwik no script img

Abtasten im Belgrader Schloß

■ Jugoslawiens Präsident Milosevic und der Führer der Kosovo-Albaner, Rugova, vereinbaren bei ersten Treffen weitere Gespräche. Rugova-Gegner Adem Demaci spricht von fatalem Fehler

Belgrad (AFP/AP) – Als den Beginn einer friedlichen Lösung des Konflikts im Kosovo haben der jugoslawische Präsident Slobodan Milošević und der Führer der Kosovo-Albaner, Ibrahim Rugova, übereinstimmend ihr erstes Treffen gestern in Belgrad bewertet. Konkrete Ergebnisse gab es aber offenbar nicht. Milošević betonte nach der 90minütigen Unterredung im Präsidentenpalast in Belgrad, jede Lösung müsse auf der Grundlage der Gleichbehandlung aller Bürger beruhen.

In einer von der Nachrichtenagentur Tanjug verbreiteten Erklärung hieß es, von kommender Woche an würden auf Delegationsebene Gespräche über die serbische Kosovo-Provinz geführt. Dies war bereits bei den Vermittlungsgesprächen der USA in der letzten Woche verabredet worden.

Vor dem Treffen hatte Rugova gesagt, er habe das Mandat, für die Unabhängigkeit des Kosovo zu plädieren. Aus Kreisen der jugoslawischen Regierung hieß es, Milošević sei bereit, über alles außer das Thema Unabhängigkeit zu sprechen. Rugova und Milošević hatten sich nach Vermittlungsbemühungen der US-Gesandten Richard Holbroooke und Robert Gelbard am Mittwoch zu dem Treffen bereit erklärt. Rugova verzichtete dabei auf internationale Beobachter, im Gegenzug erkannte Milošević Rugova faktisch als Führer der Kosovo-Albaner an.

Aus Protest gegen die Nichtbeteiligung internationaler Vermittler waren zwei Mitglieder des Beratergremiums Rugovas am Donnerstag zurückgetreten. Auch die Exilregierung der Kosovo-Albaner hatte betont, die Beteiligung Dritter sei für künftige Gespäche eine „unabdingbare Forderung“. Rugovas politischer Gegenspieler Adem Demaci hatte die Begegnung gar als „fatalen Fehler“ bezeichnet, der nicht zur Befriedung des Kosovo beitragen werde.

Auch Frankreichs Außenminister Hubert Vedrine äußerte sich zurückhaltend. Bei einem Besuch in Albaniens Hauptstadt Tirana sagte er, es sei noch nicht klar, ob die Premiere zu dem erforderlichen „echten Dialog“ führen werde. Am Ende müsse eine „möglichst substantielle Autonomie“ des Kosovo stehen. Auf dem Weg dahin müßten sich alle Seiten „sehr vorsichtig“ verhalten.

Der Leiter des Europäischen Zentrums für Minderheitenangelegenheiten, Stephan Tröbst, sagte im Deutschlandradio Berlin, das Gespräch zwischen den beiden Kontrahenten habe ohne internationale Beteiligung wenig Chancen auf Erfolg. Die Reaktion der Balkan-Kontaktgruppe auf die Eskalation in der Kosovo-Region habe gezeigt, daß die internationale Gemeinschaft nichts aus dem bosnischen Bürgerkrieg gelernt habe.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen