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Elfjährige schlugen die Profis

Die Klasse 6d der Lenau-Grundschule in Kreuzberg erhielt den „Gold Award“ eines Video Festivals in Tokio. Ihr Video-Brief doziert über Hundekacke und Berliner Delikatessen  ■ Von Kirsten Niemann

„Ich dachte, die verarschen uns“, meinte die zwölfjährige Pauline aus Kreuzberg, nachdem sie vom Sieg ihrer Klasse auf dem „JVC Tokio Video Festival“ erfahren hatte. Der Wettbewerb wurde 1978 von dem japanischen Multimedia-Konzern JVC ins Leben gerufen, um die damals noch recht unpopuläre Videotechnik als neues Medium, Kunst- und Ausdrucksform zu etablieren. Amateure wie namhafte Profis nehmen seitdem an dem Wettbewerb teil, der mittlerweile einer der größten internationalen Kultur-Competitions überhaupt ist. In diesem Jahr wurden mehr als 2.000 Beiträge aus 41 Ländern eingereicht. Ob Kunst, Experimental-, Reportage- oder Spielfilm – erlaubt war alles, was sich auf maximal 20 Minuten Videoband bannen läßt.

Stolz wie Bolle waren denn auch die anderen 18 Schüler und Schülerinnen der Klasse 6d von der Kreuzberger Lenau-Grundschule, als sie am Mittwoch für ihren Video-Brief-Beitrag „Hello, Pen- Pals in Montana“ die zweithöchste Auszeichnung, den „Gold Award“, entgegennehmen durften. Den höchstdotierten, den „Grand Prize“, bekam ein Profi, der in der Filmszene wohlbekannt ist. Wie bereits 1985 ging der Pokal an den amerikanischen Dokumentarfilmer Jon Alpert.

„Hello, Pen-Pals in Montana“ ist dagegen ein recht heiterer Video-Brief an gleichaltrige Brieffreunde einer Schulklasse in den USA. Ein Beitrag, der die Jury sowohl aus technischer als auch inhaltlicher Sicht überzeugen konnte. Es sei nicht nur ein Film, der die typische Qualität des Mediums Video zum Ausdruck bringe, in dem sich eben viele verschiedene Menschen in einer einzelnen Arbeit auf spaßige Weise präsentieren können, bemerkte Jury-Mitglied Makoto Shiina. „Es lehrte mich außerdem, daß im heutigen Deutschland junge Leute ein geradezu bewundernswertes soziales und ethisches Level erreicht haben.“ Mit Witz, Charme und rasanten Schnitten gelingt den Kids eine Darstellung ihrer Schule samt Spielecke und Kuschelzoo, sowie der näheren Kreuzberger Nachbarschaft. Eine Beschreibung, so witzig und lebendig, daß sie als Werbung für unsere Stadt wohl weit effektiver sein dürfte, als sämtliche Faltblättchen des Berliner Fremdenverkehrsvereins.

Die Schüler – eine kreuzbergtypische, weil multikulturelle Truppe aus nicht weniger als sieben Nationen – machen neugierig auf ihren Kiez. Zum Beispiel, wenn sie auf der Bergmannstraße einfache Passanten ansprechen und in einem funny German accent spontan auf Fragen antworten lassen, wie „Do you like Berlin? Would you like to live somewhere else?“ Besonders lustig geriet der Monolog eines kleinen Bengels, der über Hundekacke dozierte, das unleidliche, weil weit verbreitete „business of the dogs“, das er übrigens überall auf den Bürgersteigen mit blauer Farbe eingekreist hatte. Schließlich folgt die Kamera einer reichlich schrägen Gesangseinlage eines Girlie-Quartetts. Dann: Kamera auf Scheißwetter an der Yorckstraße. Und der gut gemeinte Versuch eines kleinen Mädchens, das Berliner Kebab als Delikatesse zu verkaufen.

„Ich wollte einfach, daß den Film auch andere Leute sehen“, erzählt die Projektleiterin und Ex- Referendarin Anke Schäfer, „deshalb habe ich ihn einfach mal nach Tokio geschickt.“ Neben der unhandlichen Trophäe erhielten die Kids nun einen Scheck über 2.500 US-Dollar sowie eine Videoausrüstung, die ebenfalls einen Wert von 2.500 Dollar hat. Eine Investition, die sich lohnen soll. Anke Schäfer: „Wir arbeiten nämlich schon am nächsten Film.“ Der wird dann tatsächlich eine Arbeit für den Berliner Touristikverein. Der Film soll das lädierte Kreuzberger Image aufpolieren.

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