■ Gastkommentar: Falsche Signale
Mit der Wiederinbetriebnahme der Stadtbahn ist die politische Insellage des eingemauerten Westberlin endlich überwunden worden. Fern- und Regionalzüge fahren ungehindert durch Berlin. Der einjährige Zeitverzug ist verschmerzbar. Berlins Zukunftsinvestitionen in die Schiene aber werden von rückwärtsgewandter Verkehrspolitik begleitet. Wenn der Senat Autotunnel, Stadtring und Teltowkanalautobahn parallel zu Eisenbahntrassen plant, lieber fünf Kilomter U-Bahn als 100 Kilometer Straßenbahn baut, dem Nahverkehr Busspuren und Ampelvorrang verweigert, die flächenhafte Parkraumbewirtschaftung verschleppt, das Angebot verschlechtert und die Tarife verdoppelt, dann darf er sich nicht wundern, daß seit 1994 trotz Milliardeninvestitionen knapp 20 Prozent Fahrgäste fernbleiben.
Ein positives Signal setzt die S-Bahn. Während Senat und BVG ihre tarif- und verkehrspolitische Geisterfahrt fortsetzen, setzt sie auf mehr Fahrgäste durch ein attraktiveres Angebot. Am Wochenende gibt es einen durchgehenden Nachtverkehr im Halbstundentakt auf dem Ring, der Stadtbahn und – leider nur bis Anhalter Bahnhof – im Nord-Süd-Tunnel. Bei der BVG werden dagegen krumme Taktzeiten eingeführt, ungünstige Umsteigebeziehungen wie z. B. am Bahnhof Jungfernheide zum Flughafenbus werden beibehalten. Buslinien wie der 119er oder 129er enden noch immer kurz vor dem nahe gelegenen S-Bahnhof. Die U-Bahn wird nachts stillgelegt, mit Ausnahme von zwei West-Linien auch am Wochenende. Metropolengerecht ist Berlin damit noch lange nicht. In New York fahren die U-Bahnen 24 Stunden – sieben Tage die Woche! Michael Cramer
Verkehrspolitischer Sprecher Bündnis90/Die Grünen.
Bericht Seite 22
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