■ Standbild: Erdrosselungsversuch
Der Rosenmörder, Samstag, 20.15, ZDF
Wie sehr „Titelirrsinn“ und Zwangsformatierung inzwischen Methode haben, kritisierte Detlef Michel auf dieser Seite in der 68er-Oster-taz. Unerwähnt ließ der „Grips“-Theaterschreiber und Autor preisgekrönter Filme („Die Denunziantin“) dabei, daß auch er selbst so verwurstet wird. Den Beweis lieferte nun das ZDF nach. Es hatte Matti Geschonneks Inszenierung des Michel-Buchs „Im Namen des Irrtums“ nicht nur schon für die Premiere auf arte ins Gruselraschelpapier „Der Rosenmörder“ umgepackt, sondern pappte für die eigene Aufführung jetzt auch noch den Sonderangebots-Sticker „Samstagskrimi“ drauf. Auf daß das Publikum Onkel Stoltes quotensüchtiges ZDF einfach liebhaben muß.
Hätten die Format-Neurotiker doch nur genauer hingeguckt. Lehrte doch gerade der von Sebastian Koch mit Hingabe, wenn auch nicht immer mit der gebotenen Tiefenschärfe verkörperte Rosenmörder, wie übersteigerte Verlustängste und Geliebtwerdenwollen um jeden Preis sträflich im Tatbestand des Erdrosselns enden können und damit das Gegenteil des zwanghaft Erstrebten erwirken.
Tatsächlich war bei dem, was Geschonnek zumeist als sparsam ausgeleuchtetes Kammerspiel vorführte, die Kriminalgeschichte nur Kristallisationsebene: Drei Frauen waren, jede mit einer Rose in der Hand, ermordet aufgefunden, ein introvertierter Mann (kongenial besetzt mit Christian Redl) dafür verurteilt worden. Anscheinend zu Unrecht. Indem eine junge Anwältin, schnörkellos dargeboten von Natalia Wörner, die Sache aufrollte, entfalteten sich die hochaktuellen Hauptthemen: Vorurteil, Krähenprinzip und Korpsgeist in Polizei und Justiz zum einen wie andererseits männliches Unvermögen, weiblichen aufrechten Gang zu akzeptieren. Permanent muß sich die Anwältin ihre beharrliche Wahrheitssuche als übertriebenen Ehrgeiz vorwerfen lassen. Und ihr Ehemann, der ehrgeizige Fotograf, der's nur zu Polizeiaufträgen gebracht hat, traktiert sie mit Neid und Besitzdenken.
Zwar war das insgesamt sehr wohl auch spannend gemacht, doch vermieden Geschonnek und Michel eben samstagskrimimäßige Schwarzweißmalerei. Absichtsvoll. Und überließen dem Zuschauer am Ende auch noch in bester Brecht-Manier mit Wahrheit, Irrtum, Schuld und Unschuld das Feld der Fragezeichen. Ulla Küspert
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