Nachgefragt
: Kollegen finden: „Große Sauerei“

■ Polizist zur Castor-Vertrahlung: „Wir hatten keine Dosimeter“

Seitdem bekannt wurde, daß die Castor-Behälter seit Jahren radioaktiv verstrahlt sind, wächst die Kritik an den Atomtransporten auch unter Polizisten. Der Bremer Polizeimeister Jürn Schulze, der als einer von 218 Bremer Beamten den Castor bewachte, sprach darüber mit der taz .

taz: Waren Sie dicht am Zug?

Jürn Schulze, Bereitschaftspolizist: Ich war mit vielen Bremer Kollegen am letzten Bahnübergang vorm Bahnhof Ahaus, aber nicht direkt dran am Transport. Wir waren etwa 50 Meter weg, als der Zug durchgerollt ist.

Wie haben Sie überhaupt von der Verstrahlung der Transportbehälter erfahren?

Aus den Nachrichten.

Wie ging es Ihnen dabei?

Weniger gut. Man hat im Nachhinein natürlich ein mulmiges Gefühl bei der ganzen Geschichte, das ist klar. Das alles ist ja nur schwer nachzuvollziehen, weil man nichts fühlen oder sehen kann und nichts zum Anfassen hat. So weiß man nicht, ob man selber davon betroffen ist.

Wie ist die Stimmung unter den Kollegen?

Kann ich gar nicht genau sagen, ich habe erst mit ein paar darüber gesprochen. Der Tenor ist natürlich „große Sauerei“. Aber persönliche Betroffenheit konnte ich eigentlich so richtig noch nicht feststellen.

Haben Sie nicht das Gefühl, ein bißchen vorgeführt worden zu sein? Sie mußten ja ausgerechnet wegen der Leute an die Schiene, die immer vor den Gefahren der Atomtechnologie gewarnt haben – und jetzt hat sich die Warnung der Gegner bestätigt.

Ich habe mir, bevor ich mir meinen Job ausgesucht habe, Gedanken gemacht, was auf mich zukommt; ist das nur Verbrecherfang oder gibt es auch so Dinge wie Castor und ähnliches. Und ich habe gesagt, ich mache den Job trotzdem. Schon als Soldat mußte ich mich mit Bestrahlung auseinandersetzen; außerdem beschäftigt man sich vor allem vor solchen Einsätzen mit dem Thema. Ich persönlich setze mich auch mit den Argumente der – in Anführungsstrichen – Gegenseite auseinander. Ich kann deswegen nicht unbedingt sagen, daß ich mich über's Ohr gehauen fühle – aber das mulmige Gefühl ist da.

Die Bundesumweltministerin in Bonn...

... sollte zurücktreten. Ist meine Meinung.

Frau Merkel hat in der Debatte über die Gefahren für Begleitbeamte auch gesagt, die Männer hätten doch alle Dosimeter, also Strahlenmeßgeräte, getragen.

Haben wir nicht. Stimmt nicht. Ich und meine Kollegen hatten keins.

Gab es, nachdem die Strahlenbelastung der Behälter bestätigt wurde, irgend eine Reaktion von offizieller Seite an Sie und die Kollegen, als direkt Betroffene?

Noch nicht. Grundsätzlich dauern solche Dinge bei uns ein bißchen länger. Ich erwarte aber, daß noch eine Äußerung unserer Vorgesetzten kommt. Unsere Einsätze bei solchen Atomtransporten werden ja dokumentiert. Die Kollegen, mit denen ich gesprochen habe, und ich rechnen damit, daß zumindest falsche Werte in der Akte stehen müssen, weil man ja von anderen Werten ausgegangen ist. Da erwarte ich eine Aussage dahingehend, ob das korrigiert wird.

Fragen: Eva Rhode