piwik no script img

Nachgefragt„Es geht um Bremens liberale Tradition“

■ Der Grüne Martin Thomas zur Video-Überwachung der 1.Mai-Demonstration

taz: Die 1. Mai-Demonstration ist – wie die taz am Samstag mit Fotos dokumentiert hat – von der Polizei gefilmt worden. Überrascht das einen Spezialisten der Bremer Innenpolitik?

Martin Thomas: Ja. Daß so eine sehr traditionelle 1. Mai-Demonstration von der Polizei benutzt wird, um Aufzeichnungen zu machen, halte ich für völlig inakzeptabel. Das schränkt die Demonstrationsfreiheit ein.

An dieser Stelle am Wall ist nichts passiert und es gab auch keinen Grund für Befürchtungen. Darf die Polizei da filmen?

Nach dem Versammlungsgesetz nur, wenn Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, daß von der Demonstration erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen. Diese Annahme gab es keinesfalls bei der 1. Mai-Demo, die ja vom DGB angemeldet, organisiert und durchgeführt wurde. Ich sehe in diesem Vorgehen der Polizei ein weiteres Beispiel für den Niedergang liberaler demokratischer Traditionen in Bremen, seit ein CDU-Innensenator die Verantwortung für die Polizei hat.

Gerechtfertigt wird das Filmen mit einer PKK-Fahne, die Demonstranten hochhielten.

Wenn die Polizei das jetzt nachträglich behauptet, dann hat sie aus dem Verwaltungsgerichtsurteil von 1989 gelernt, das ihr nämlich die Foto- und Video-Überwachung einer Demo untersagte. Darin wurde festgestellt, daß präventive Überwachung die Demonstrationsfreiheit einschränkt. Insofern ist die jetzige Begründung zumindest eine geschickte nachträgliche Rechtfertigung für eine präventive Maßnahme. Man müßte ja konkret nachweisen, wie lange die Polizei gefilmt hat..

Der Fotograf hat den Polizisten von der Straße aus oben im Wall-Café, mit Video-Kamera im Anschlag, entdeckt. Daraufhin machte er eine Aufnahmen-Serie vom Polizisten in flagranti. Als er zur Demo zurückging, filmte der Polizist munter weiter. Alles für eine Fahne?

Ich muß annehmen, daß die Auskunft, es sei nur eine PKK-Fahne gefilmt worden, eine Schutzbehauptung ist. Auch meine ich, daß von einer PKK-Fahne in einer 1. Mai-Demo keine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Demonstranten berichtet, daß sie den Polizisten nicht nur den Kurdenblock filmen sahen .

Kann man das nachträglich prüfen und klären?

Die demokratische Kontrolle, ist, was die Überwachung durch Video-Geräte angeht, völlig unzureichend. Einziges Mittel ist der Datenschutzbeauftragte – und den haben wir Grünen eingeschaltet, weil wir wissen wollen: Wie lange und was genau wurde gefilmt? Wie wurde das Material ausgewertet und was passiert damit? Int.: K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen