Sind Sie beschäftigt?: „Ich habe keinen Bock auf Arbeit“
■ Stefan Adamez ist seit sechs Jahren ohne Arbeit. Er sitzt fast täglich mit seinem Bier auf dem Hermannplatz und denkt beim Anblick der Leute: „Die armen Menschen gehen arbeiten“
In Berlin gibt es 290.000 Arbeitslose, nur jeder vierte Einwohner lebt von Erwerbsarbeit. Doch auch wer keinen Arbeitgeber hat, ist nicht ohne Arbeit. Die taz fragt deshalb: „Sind Sie beschäftigt?“
Der 37jährige Stefan Ademez:
Klar hab' ich zu tun. Wenn man bißchen Geld hat, sauft man ein bißchen. Von Rechts wegen geht so der Tag rum. Seit sechs Jahren bin ich arbeitslos, vorher war ich beim Gerüstbau. Ich hab' das sein lassen wegen der Gesundheit. Ich wollte mich auch nicht kaputtmachen. Klar, das Geld ist knapp. Wollen wir mal so sagen, wenn man es so richtig nimmt, ist das alles Scheiße. Von Rechts wegen hier rumsitzen und rumsaufen ist Scheiße. Keine Arbeit zu haben und zu trinken hat nicht unbedingt direkt miteinander zu tun. Aber wenn man von Rechts wegen keinen Job hat, dann trinkt man bißchen mehr, das ist klar.
Ich habe von Rechts wegen überhaupt gar keinen Bock auf Arbeit. Ich sitze jeden Tag hier auf dem Hermannplatz. Mein Gehirn funktioniert Gott sei Dank noch. Wenn ich hier sitze und die Leute sehe, denke ich, von Rechts wegen, die armen Menschen gehen arbeiten, von der Arbeit nach Hause, von zu Hause zur Arbeit.
Wenn das Wetter schön ist, lege ich mich in der Hasenheide auf die Wiese und tue mich ein bißchen sonnen. Ich komme immer erst spät nach Hause, ich wohne in so einem komischen Heim im Moment. Also ich würde schon wieder arbeiten gehen. Aber nicht wieder Gerüstbau, das hat mich richtig kaputtgemacht. Mir wäre es Wurscht, was für eine Arbeit. Von Rechts wegen müßte ich ein bißchen was verdienen. Wo ich mir meine Anerkennung herhole? Wenn ich von Rechts wegen mit den Kumpels zusammen bin. Ich gebe ehrlich zu, ich brauche nicht die Arbeit, um glücklich zu sein. Wenn man es so richtig nimmt, hätte ich von Rechts wegen gern eine Frau und vielleicht eins, zwei Kinder. Doch heutzutage ist es schwierig, eine vernünftigte Frau zu finden. Barbara Bollwahn
wird fortgesetzt
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