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Schilleroper droht Abriß

Historisches Varieté-Theater auf St. Pauli soll einem schmucken Neubau weichen. Denkmalschutzamt will den Abriß verhindern  ■ Von Heike Haarhoff

Die historische Schilleroper auf St. Pauli soll einem Neubaukom-plex mit viergeschossigem Bürogebäude, Einzelhandels- und Gastronomieeinrichtungen sowie einem benachbarten Rundbau als „multifunktionalem Veranstaltungsbereich“ (Marktflächen, kleinere Betriebe) weichen. Lediglich die „Rotunde“, also die Stahlkonstruktion des Zentralbaus aus dem 19. Jahrhundert, die von oben wie ein Zirkuszelt aussieht, bleibt erhalten – stark verfremdet allerdings: Sie „wird zunächst demontiert, saniert und in südlich verschobener Lage auf einem neuen, fünf Meter hohen Sockelgeschoß wieder aufgebaut“.

Dieses „Rondell“ wiederum wird „durch eine horizontale Dachkonstruktion (Schale)“ mit dem Bürogebäude verbunden, so daß darunter ein „wettergeschützter Straßen- und Platzraum“ für „unterschiedlichste städtische Aktivitäten“ entsteht: So steht es im „Bauvorbescheidsantrag“ für „Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen an der Schilleroper“ in der Lerchenstraße, den die Hamburger Architekten Bothe, Richter, Teherani (BRT) im Auftrag der Bauherrin, der Hanseatica Property Development GmbH & Co. KG, am 13. Mai beim Bezirk Mitte einreichten. Über den Antrag, der der taz vorliegt, wird der Bezirk im Juni beraten.

Verschnupft reagierte das Denkmalschutzamt: „Wir“, so Sprecher Kai-Michael Hartig, „haben die Schilleroper als schutzwürdig anerkannt und sind interessiert, daß sie in die Denkmalliste eingetragen wird“ – was einen Abriß ausschlösse. Ebenso entsetzt ist GAL-Fraktionschefin Helmke Kaufner: Das acht Millionen Mark teure Bauvorhaben sei „weder kompatibel mit dem Denkmalschutz noch mit den Sanierungszielen“.

Letztere sehen vor, das ehemalige Varieté-Theater, einer der letzten festen Zirkusbauten des 19. Jahrhunderts in Deutschland, zu erhalten und als Stadtteilzentrum für (Floh-)Märkte, kulturelle und politische Veranstaltungen sowie Stadtteilfeste herzurichten.

Operneigentümer Eberhard Erhardt hatte das Hauptgebäude über Jahre verfallen lassen und die feuchten und ungezieferbefallenen Nebenbaracken als Flüchtlingsunterkünfte zu Höchstpreisen an die Stadt vermietet. Zumindest diese umstrittene Nutzung würde durch den Neubau beendet. Weswegen CDU-Fraktionschef Hartwig Kühlhorn, der in Mitte mit der SPD regiert, „einen radikalen Neuanfang begrüßen würde“.

Ob Erhardt die Schilleroper überhaupt an die Hanseatica verkaufen will, mochte diese nicht verraten: „Dazu sagen wir nichts.“ Im übrigen, widersprach eine PR-Beauftragte der Architekten dem eigenen Vorbescheidsantrag, „wird nichts abgerissen“. Ihr erschließe sich nicht der Anlaß der Berichterstattung: „An dem Projekt hat sich seit einem halben Jahr nichts getan.“

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