: Donnergrollen als Klangkulisse
■ Friday night in Delmenhorst: Beim Jazzfest wurde auf ziemlich gelungene Weise aus der globalen Stilesammlung zitiert
Mächtiges Donnergrollen und aufs Dach prasselnder Regen bildeten zunächst einen unerwarteten Klangeffekt zu Beginn des neunten Jazzfests am Wochenende in Delmenhorst. Dem paßte sich das eröffnende Bläserduo Claudio Puntin/Steffen Schorn allerdings geschickt an. Die beiden Musiker verschoben ihren geplanten Opener ans Ende des Programms und begannen mit einem ausholenden Mosaik verschiedener Klangfarben, mit geräuschigen und verhaltenen Tönen, die die ungeplanten Naturklänge als Klangkulisse nutzten. Langsam steigerten sich die rauschenden Wellen von Schorns Baritonsaxophon und das fiepende Gegrummel von Puntins Es-Klarinette in klagend-jammernde Linien der Klarinette, die das Saxophon räsonierend kommentierte. Es schloß sich ein fliegender Wechsel zu Baß- und B-Klarinette an, der den Übergang zu einer locker treibenden, rhythmisch und melodisch strukturierten Passage markierte, die sich dann langsam in fast kammermusikalische Klänge zurückzog.
Zeitweise klang Schorns Baßklarinette wie ein tief gestrichenes Cello. Dieser Wechsel von geräuschigen zu melodischen und rhythmisch strukturierten Passagen, in denen Zitate von Klezmermusik und diversen Jazzstilistiken aufblitzen, von verhaltenen, behutsamen zu expressiven Tönen, von laut und leise, kennzeichnet das Spiel der beiden Bläser aus Köln. Dabei legen sie ein feinsinniges Gespür für Dynamik an den Tag, ebenso wie Lust an Soundexperimenten.
So offerieren sie eine Fülle unterschiedlichster Klangfarben, nicht zuletzt durch die ausgefallene Instrumentierung, zu der auch Kontrabaßklarinette, Baßsaxophon und Baßflöte gehören. Das Duo legte einen äußerst abwechslungsreichen und unterhaltsamen Einleitungsset hin, der vom Publikum im leider nur zu zwei Dritteln gefüllten Kleinen Haus zu Recht mit viel Beifall bedacht wurde.
Deutlich lärmender und letztlich weniger differenziert im musikalischen Ausdruck trat dagegen der Gitarrist Nguyên Lê mit seinem aktuellen Projekt „Maghreb & Friends“ im zweiten Set des Abends auf. Der in Frankreich lebende Gitarrist vietnamesischer Herkunft versucht sich mit seiner aktuellen Formation an einer Verknüpfung musikalischer Traditionen des fernen Ostens mit denen des nordafrikanischen Maghreb und Jazzeinflüssen. Am Freitag abend dominierten allerdings lautstarke Fusion-Klänge das Geschehen.
Diese waren zwar hin und wieder verflochten mit orientalischen Skalen und insbesondere in den Sequenzen, die vom Gesang der drei Bandmitglieder maghrebinischer Herkunft geprägt waren, gab es interessante Crossover-Effekte, aber insgesamt herrschten doch geläufige Jazzrock-Klischees vor. Auch in der Rhythmusarbeit von Drummer Karim Ziad, der ansonsten beim Orchestre National des Barbés aktiv ist. Zudem waren die Rahmentrommeln der beiden Perkussionisten aufgrund der schlechten Abmischung nur selten wahrzunehmen. In einem Stück mühte sich einer der beiden mit Gnawa-Rasseln ab, von denen leider kein Ton zu hören war. In den Soli von Lê blitzte dagegen hin und wieder auf, was möglich ist. So hatte sein unbegleitetes Intro zum ersten Stück durchaus einen asiatischen Touch, und auch in manche seiner eher rockigen Läufe flocht er kurze Fragmente mit asiatischer Anmutung ein, aber in Tutti-Passagen der Band dominierten gängige Jazzrockriffs und Synthesizersound sein Spiel.
Der Pianist und Keyboarder Bojan Z., der zur geänderten Besetzung der Band gehörte, bevorzugte am Piano nervös flirrende Linien und am Keyboard schwankte er zwischen wabernden Sounds und Instrumentenimitationen. Die Band, zu der noch Bassist Michel Alibo und ein junger Pariser Saxophonist gehörten, spielte allerdings mit viel Verve und augenscheinlicher Spielfreude auf. Dem Publikum gefiel die Mischung von Mahgreb & Friends, sie feierten die Band geradezu enthusiastisch. Ein gelungener Auftakt für das Jazzfest, das am Samstag mit den Auftritten von La Voce, dem aktuellen Projekt des Bremer Trompeters Uli Beckerhoff, des Moscow Art Trios und der Claire Martin Band endete.
Arnaud
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