: Großbritannien ist noch lange nicht BSE-frei
■ Noch immer treten täglich rund dreizehn Fälle auf. Doch mit der Entscheidung der EU-Kommission für eine Lockerung des Banns ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis britisches Fleisch zu uns ko
Brüssel/Berlin (taz) – Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann das britische Fleisch wieder in die Kühltheken auch der Supermärkte in Deutschland kommt. Nach dem Vorpreschen der EU-Kommission unter dem Druck der Briten müßte der EU-Agrarrat den Vorschlag einstimmig ablehnen, um ihn noch zu stoppen. Das wird Großbritannien aber natürlich verhindern.
Doch Großbritannien ist noch lange nicht BSE-frei. Noch immer gibt es dort monatlich rund 400 Fälle. Beunruhigend daran ist, daß die Zahl der Fälle von Rinderwahn nicht so schnell abnimmt, wie sie es eigentlich müßte, wenn nur die Verfütterung von verseuchtem Tiermehl verantwortlich für die Übertragung wäre. Also muß es noch weitere Infektionswege geben. Welche, ist unklar.
Als am wahrscheinlichsten gilt die Übertragung von der Kuh aufs Kalb, eventuell über den Mutterkuchen, von dem man weiß, daß er sehr infektiös ist. Oft wird die Nachgeburt auch von anderen Kühen gefressen. Dies wäre eine Erklärung. Solange aber die Ansteckungswege nicht restlos bekannt sind, kann niemand garantieren, daß das exportierte Fleisch wirklich ungefährlich ist.
EU-Kommissar Fischler ließ gestern zwischen den Zeilen durchblicken, daß auch er es nicht so eilig hat mit der Aufhebung des Embargos. Auch er fürchtet Konsequenzen für den Fleischmarkt. Er baut offensichtlich darauf, daß die Einhaltung und Überprüfung der Vorbedingungen noch einige Zeit dauern dürften. So muß das für den Export bestimmte Fleisch in ausgewählten Schlachthöfen von Knochen und Innereien befreit worden sein und nachweislich aus BSE-freien Herden stammen.
Die Tiere dürfen außerdem nicht jünger als sechs und nicht älter als dreißig Monate alt sein, müssen computererfaßt und lückenlos gekennzeichnet sein. Erst wenn EU-Inspektoren bestätigen, daß dies alles wirklich eingehalten wird, will die Kommission den Export freigeben.
Derzeit prüft die EU-Kommission zwei BSE-Tests, die bereits im Schlachthof gemacht werden können und schon nach wenigen Stunden ein Ergebnis liefern. Damit könnte sichergestellt werden, daß nur BSE-freies Fleisch den Hof verläßt. Einer der beiden Tests von der Züricher Firma Prionics wurde bereits erfolgreich in der Schweiz angewandt. Durch Analyse der Hirnflüssigkeit der geschlachteten Tiere kann der Test Rinderwahn bereits nachweisen, bevor die Rinder irgendwelche Symptome zeigen. Der Test ergab, daß jährlich 200 BSE-verseuchte Rinder in der Schweiz unters Steakmesser gekommen sind.
„Daß da Tiere durchgerutscht sind, zeigt, wie wichtig dieser Test ist“, sagt Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, der Vizepräsident des Agrarausschusses vom Europaparlament. Er schätzt, daß dieser Test bereits im Frühjahr 1999 von der EU-Kommission EU-weit vorgeschrieben werden kann. „Es wäre vernünftiger“, so der Grüne, „mit der Diskussion um die Freigabe zu warten, bis der Test einsatzfähig ist.“
Auch die Auflagen für die Exportfreigabe hält Baringdorf für fragwürdig. Die Nordiren erhielten erst eine Exportfreigabe, nachdem sie zugesichert hatten, daß jede Herde, aus der Fleisch exportiert wird, mindestens acht Jahre BSE-frei ist und daß die Tiere in separaten Schlachthöfen verarbeitet werden.
Das britische Zugeständnis, nur Tiere zu exportieren, die jünger als dreißig Monate sind, reicht auch nicht aus. Rinderwahn wurde schon bei Tieren von achtzehn Monaten festgestellt. Erst in den vergangenen zwei Jahren wurden nur noch bei Tieren über dreißig Monate Symptome festgestellt. Wie der Schweizer Test beweist, muß das aber nicht bedeuten, daß die Tiere noch kein BSE haben. Alois Berger, Matthias Urbach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen