: Das Dilemma der Nato im Kosovo
Im UN-Sicherheitsrat ist Rußland für ein Ja zu einem Nato-Einsatz im Kosovo kaum zu gewinnen. Das unklare politische Ziel einer Militärintervention dürfte zudem im westlichen Bündnis selbst zu Spannungen führen ■ Von Andreas Zumach
Genf (taz) – Bei ihren Kosovo- Beratungen diese Woche in Brüssel haben die Außen- und Verteidigungsminister der Nato wohl die letzte Chance vertan, im Einvernehmen mit Rußland in den Kosovo-Konflikt einzugreifen. Kaum eine der möglichen Nato-Maßnahmen auf oder über dem Territorium des Kosovo oder in ganz Restjugoslawien, für die die Verteidigungsminister den Militärs einen Prüfauftrag erteilt haben, wird die Zustimmung Moskaus im UNO-Sicherheitsrat finden. Die öffentlich erklärte Bereitschaft der Ukraine, sich an Nato-geführten Militäraktionen zu beteiligen, dürfte die ablehnende Haltung Moskaus eher noch verstärken.
Damit steht die Nato vor dem Dilemma, ob sie diese Maßnahmen auch ohne ein UNO-Mandat durchführt und einen schweren Konflikt mit Rußland in Kauf nimmt. Diese Frage wird die in den letzten Tagen demonstrierte Einigkeit der Allianz wieder aufbrechen lassen. Für zusätzlichen Dissens wird die ungeklärte politische Zielsetzung einer militärischen Intervention sorgen. Zwar waren sich Volker Rühe und seine 13 europäischen Amtskollegen beim Abendessen in der EU-Hauptstadt „einig, daß eine Unabhängigkeit Kosovos nicht in Frage kommt“. Nur von der Realität in der südserbischen Provinz ist dieses Postulat weit entfernt.
Zwar ist ein weiterer Zerfall Südosteuropas in überwiegend ethnisch definierte und kaum überlebensfähige Kleinstaaten keine wünschenswerte Entwicklung. Doch zumindest für Restjugoslawien ist diese Dynamik nicht mehr aufzuhalten. Der Zerfall, der sich mit der Emanzipation Montenegros von Serbien immer deutlicher abzeichnet, liegt in der Logik dieser Dynamik. Dasselbe gilt für den Zerfall Serbiens. Zumal Westeuropa den schweren Menschenrechtsverstößen im Kosovo jahrelang zugeschaut und der gewaltfreien Widerstandsbewegung seine Unterstützung versagt hat.
Eine Wiederherstellung der 1989 von Milošević abgeschafften Autonomie der südserbischen Provinz hätte schon seit geraumer Zeit nicht mehr ausgereicht für eine Befriedung des Konflikts. Möglich gewesen wäre diese Befriedung bis zum Beginn der jüngsten Eskalation im März vielleicht noch durch eine Aufwertung Kosovos zu einer mit Serbien und Montenegro gleichberechtigten Republik in Restjugowlawien. Doch das brutale Vorgehen der serbischen Polizei und Armee und die dadurch beschleunigte Stärkung der „Kosovo-Befreiungsarmee“ hat auch diese Option zerstört. Egal welche Maßnahmen die Nato ergreifen wird, die Kosovo-Albaner werden sie begreifen als als Unterstützung ihres Kampfes für staatliche Unabhängigkeit und noch weniger geneigt sein, dieses Ziel aufzugeben.
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