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■ Filmstarts à la carteFrauenschicksale

„Anything but Love“ hat die Stiftung Deutsche Kinemathek am heutigen Donnerstag im Zeughauskino zu bieten. Dabei wird in Andrzej Zulawskis „Nachtblende“ (1974) eigentlich recht heftig geturtelt: Ein erfolgloser, irgendwie in der Pornobranche gelandeter Fotograf liebt einigermaßen erfolglos eine erfolglose, irgendwie in der Pornobranche gelandete Schauspielerin (Romy Schneider). Die liebt ihrerseits irgendwie ihren Gatten – natürlich völlig ohne Erfolg: Der arme Kerl stopft sich nämlich auf einer Herrentoilette den Mund mit Zyankali voll und scheidet äußerst wirkungsvoll dahin – woran auch 20 Jahre nach letztmaliger Sichtung dieses Meisterstückes des Euro-Trashs noch erinnere. Zwischen den vielen Orgien (sowohl der sexuellen Betätigung als auch des schlechten Geschmacks) gucken dann immer alle ganz verstört, was jedoch auch auf die Mitwirkung Klaus Kinskis zurückzuführen sein könnte.

Im Kontrast zur Melodramatik der „Nachtblende“ steht die kühle Distanziertheit von John Schlesingers „Darling“ Voller Sarkasmus begleitet der Film eine junge Frau auf dem Weg zum „großen“ Erfolg im London der Swinging Sixties. Indem sie von einem Mann zum anderen wandert, macht Diana Scott (Julie Christie) Karriere als Fotomodell und Filmstarlet, ehe sie schließlich einen italienischen Fürsten heiratet. Kein Milieu, keine Gesellschaftsschicht bleibt dabei von Schlesingers leisem Spott verschont: das spießig-bürgerliche Landleben von Dianas Schwester (Dialog mit ihrem Gatten im Ehebett: „Liebling, ich glaube, du hast deine Hand irgendwo...“ „Oh, Verzeihung, das war nicht meine Absicht.“) ebensowenig wie die High-Society, die sich auf langweiligen Wohltätigkeitsparties durchfrißt, während ein Redner über die Hungernden der Welt schwadroniert. Sehr schön kommt auch die Vernissage mit Bildern eines Malers, der gerade fünf Jahre im Knast verbracht hat: Das finden alle très chic, Bussi hier und Bussi da, und: „Nummer 24, der ,Männerakt im Eimer‘, haben Sie sich da von Grünewald inspirieren lassen?“ In der Person Dianas spiegelt sich die ganze Oberflächlichkeit der Society wider: lebenshungrig, aber stets gelangweilt – und völlig unfähig, echte Gefühle zu empfinden. Daß uns Diana trotzdem proper, freundlich und unverbindlich nett erscheint, ist vielleicht das eigentlich perfide an „Darling“: Schlesinger demonstriert unsere Anfälligkeit für den schönen Schein, indem er uns mit einem Hochglanzprodukt verführt.

Auch G.W. Pabsts „Die Büchse des Pandorra“ paßt ganz gut zur Thematik: Zwar endet Lulus „Karriere“ nicht im italienischen Herrenhaus, sondern in einer Londoner Absteige unter dem Messer Jack the Rippers – doch Parallelen zu „Darling“ sind durchaus vorhanden: Denn auch Lulu verströmt eine wenngleich deutlich sexuell motivierte ungeheure Gier nach Leben und Erfolg – und selten wurde die „Unmoral“ dabei so attraktiv verkörpert wie von Louise Brooks, die sich in ihrer Natürlichkeit und Lebendigkeit einmal mehr als die vielleicht modernste aller Stummfilmschauspielerinnen beweist.

Lars Penning

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