Deutlich nachgefragt: Scherf kritisiert Ärzte
■ Menopause nicht problematisieren
Da war sogar die Frauenbeauftrage Ulrike Hauffe begeistert: Zur Eröffnung der zweiten Tagung der Deutschen Menopause-Gesellschaft am Freitag in Bremen, erwarteten die Ärzte salbende Worte von Bürgermeister Henning Scherf (SPD). Statt einer netten Begrüßungsrede fand Scherf deutliche Worte für die Herren Gynäkologen. Wir dokumentieren die Rede auszugsweise:
„Wie Sie vielleicht wissen, bin ich Jurist und kein Mediziner. Ich lebe seit zehn Jahren hier in Bremen in einer Hausgemeinschaft, und wir sind Menschen in genau der Lebensphase, mit der Sie sich heute hier beschäftigen wollen. In den Gesprächen, die ich zur Vorbereitung dieses Kongressen, vor allem mit meiner Hausgemeinschaft hatte, habe ich mich gefragt und dies frage ich jetzt auch Sie, ob Sie es ernst meinen, das Altwerden von Frauen als medizinisches Problem zu definieren.
Sind Sie sich darüber im klaren, daß Sie mit der Medikalisierung von Lebensprozessen, auch Lebensphasen, die Biographien von Menschen belegen, die sich im Grunde in einem ganz normalen Entwicklungsprozeß befinden? Ich möchte das gesamte Feld nicht nur den Medizinern überlassen, sondern möchte, daß problematisiert wird, wie Frauenbiographien belegt werden.
Deshalb muß ich Sie fragen, was passiert da mit unserer Biographie? Ich stelle nicht infrage, daß Frauen individuell bei Beschwerden zurecht Linderung durch die Medizin erfahren wollen. Sondern mir geht es um die Problematisierung, daß ein gesamter Lebensabschnitt als risikoreich definiert wird. Ich möchte nicht, daß wir Frauen und Männer ausschließlich Objekte Ihrer Forschung sind. Und ich möchte auch nicht, daß wir nur Objekte unternehmerischen Handelns und Ihrer unternehmerischen Entwicklung sind.
Wenn in dem Programmheft Ihres Kongresses die Models ein sehr jugendliches Alter haben und ein straffes Aussehen, dann suggerriert das etwas völlig anderes und falsches an und über Frauen. Ich möchte gerne, daß wir gelassen älter werden. Daß wir das Altwerden annehmen können und daß wir nicht verschönert und dekoriert werden. Ich möchte altern, das Alter annehmen ohne Kampf, wenn es geht auch ohne Geschlechterkampf. Auf jeden Fall ohne Angst. Und ich finde, daß es auch Aufgabe der Medizin ist, sich um diese Fragestellung zu kümmern.“
Die Ärzte schwiegen. Der Versuch einer Gegenrede mißlang. Die anwesenden Frauen lachten sich ins Fäustchen. Frauenbeauftragte Ulrike Hauffe war begeistert: „Das war brilliant, das hätte ich nicht treffender sagen können.“ kes
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen