■ Einen verhaßten Spieler bestrafen? Den Gegner schwächen? Kein Problem mit: WM-Wurst-Vodoo
Die rosafarbenen, kreisförmigen Gebilde, die in Metzgereien bis heute als Wurst angeboten werden, dienen bekanntlich allein dazu, als kostenlose Beigabe in kleine Kinder hineingestopft zu werden. Gekauft wurde diese Wurstsorte bis zum heutigen Tage niemals. Denn aus glücklichen Kindern wurden allen Versuche der Industrie zum Trotz kritische Konsumenten, auf deren Einkaufszettel die Melange aus Innereien, Gelatine, Abfall und Geschmacksverstärker in aller Regel nicht vorkommt. Zwar machten die Hersteller einige unzulängliche Versuche, die rosa Wurst mit Grinse-Gesichtern oder Kleeblättern zu versehen, trotzdem endeten die Scheiben stets als Geschenk in irgendeiner klebrigen Kinderfaust.
Da kam den Rosa-Wurst-Verantwortlichen, pünktlich zur WM, eine perfide Idee: Wurst-Vodoo. Denn läßt sich schon normaler Vodoozauber nur im Rahmen aufwendiger Bastelarbeiten durchführen, um wieviel schwerer muß dann erst das aufwendige Gießen einer kickenden Wachsfigur sein?
Das Babywurst-Genre dagegen wurde kurzerhand um eine weitere Spielart erweitert, aus dunklem Putenformfleisch bestehende Intarsienarbeiten bilden nun ganz einfach die Umrisse eines Kickers. Diesem Fußballer muß man jetzt nur noch einen Namen geben, und schon kann man mit ihm Wurst- Vodoo veranstalten. Das funktioniert auf die unterschiedlichsten Arten: Einen Stürmer, den man von der Mannschaft derart isolieren möchte, daß die im nächsten Spiel konsequent alle Pässe an ihm vorbeischlägt, kann man etwa in eine hermetisch abgeriegelte Plastikdose sperren. Schätzt man dagegen den Trainer eines wichtigen Spielers als moralisch rigiden Menschen ein, dann macht sich ein in Alkohol eingelegter Kicker („Ich weiß auch nicht, warum ich das getan habe. Irgend etwas trieb mich dazu“) sehr schön, die Folgen werden in den nächsten Tagen zur sofortigen Zwangs-Heimreise des Zechers führen.
Aber auch Verletzungen lassen sich am Wurstmännchen sehr schön simulieren. Ein beherzter Biß, und knacks! ist die Achillessehne durch, ein Schnitt mit dem Schmiermesser sorgt für Muskelrisse und andere schlecht heilende Verletzungen, ein trockener Schlag mit dem Fleischklopfer oder der Handkante sorgt für schwere Prellungen oder Zerrungen, die mindestens zwei Wochen Turnierpause bedeuten.
Ganz wie beim richtigen Vodoo sind auch beim WM-Wurst-Vodoo Hilfsmittel erlaubt. Den Formfleisch-Fußballer kann man so z.B. ausschneiden und ihm mit ein bißchen Alufolie viel zu enge Schuhe verpassen, die im richtigen Leben schlimme Blutblasen zur Folge haben und die nicht nur am Torschuß, sondern auch am Auflaufen hindern. Zahnstocher hingegen eignen sich nicht nur dazu, schwere Kopf- oder Gliederschmerzen beim Haßobjekt hervorzurufen, sondern auch, den Zauber zu tarnen: Sind sie liebevoll mit Radieschen, kleinen Gurken, Tomaten oder Ananasscheiben versehen, wird jeder Mann begeistert den dranhängenden Kicker verzehren, nicht ahnend, daß er damit soeben alle Chancen seiner Lieblingsmannschaft dahingemacht hat. Elke Wittich
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