Ready to take off: Hongkongs neuer Flughafen nimmt den Betrieb auf

■ Als Vertrauensbeweis in die Zukunft der Stadt geplant, könnte der zweitgrößte Airport der Welt sich bald als teure Bürde erweisen

Berlin (taz) – Heute nimmt in der chinesischen Sonderzone Hongkong der am vergangenen Donnerstag von Chinas Staatschef Jiang Zemin eröffnete neue Flughafen seinen regulären Betrieb auf. Als erster Gast war US-Präsident Bill Clinton bereits bei der Einweihung auf dem insgesamt knapp 36 Milliarden US-Dollar teuren Flughafen gelandet.

Mit einer Kapazität, die doppelt so groß ist wie die des Frankfurter Flughafens, ist der Chek Lap Kok Airport einer der größten der Welt. Konzipiert wurde er zu einer Zeit, als das Wachstum des asiatischen Luftverkehrs noch grenzenlos schien. Inzwischen hat die Asienkrise die Passagierzahlen allerdings nach unten gedrückt.

In der Nacht zum heutigen Montag ist der Flughafenbetrieb von seinem alten Standort Kai Tak im Südosten Kowloons an den 35 Kilometer entfernten neuen Ort Chek Lap Kok vor der Insel Lantau umgezogen. In sieben Stunden mußten 1.200 Lkws, Dutzende Schiffe und Jets den Weg zurücklegen. Schon seit zwei Wochen waren täglich 300 Lkws hin- und hergefahren. Der seit 18 Monaten generalstabsmäßig geplante Umzug ist weit aufwendiger als der des Münchener Flughafens 1992.

Chek Lap Kok ist nach Osaka der zweitteuerste Airport der Welt. Für seine Nutzung mußten Brücken, Tunnel, eine Autobahn und eine U-Bahnlinie gebaut werden. Der Flughafen hat mit der Eröffnung seiner zweiten Landebahn im November eine Kapazität von jährlich 87 Millionen Passagieren – das ist das Dreifache des alten Platzes. Weil in der Hongkonger Innenstadt kein Platz für die Vergrößerung war, wurde eigens eine 1.250 Hektar große Insel aufgeschüttet, auf der der neue Flughafen nun eine viermal so große Fläche einnimmt wie sie der alte hatte. Zeitweilig arbeiteten dort 25.000 Bauarbeiter – Spezialisten aus dem Westen und asiatische Arbeitskräfte aus den Billiglohnländern. Nach einem Bericht der in Hongkong erscheinenden Sunday Morning Post starben während der siebenjährigen Bauzeit 49 Arbeiter bei Arbeitsunfällen.

Die künstliche Insellage ermöglicht einen Betrieb rund um die Uhr, hat aber den Lebensraum einer vom Aussterben bedrohten Delphinart weiter eingeengt. Doch das tageslichtdurchflutete, Y-förmige Hauptgebäude, das vom britischen Stararchitekten Norman Foster als Niedrigenergiehaus konzipiert wurde, läßt die Verantwortlichen von einem „grünen Flughafen“ schwärmen.

Chek Lap Kok wurde Ende der 80er Jahre als Vertrauensbeweis in die Stadt geplant. Die britische Kolonialregierung beschloß den Bau wenige Monate, nachdem Chinas Regierung 1989 die studentische Demokratiebewegung in Peking gewaltsam niederschlagen ließ. Die Stimmung in Hongkong war damals auf dem Tiefpunkt. Das Flughafenprojekt sollte Optimismus verbreiten. Doch Peking protestierte, weil man befürchtete, Großbritannien könne die bis dahin fiskalisch gesunde Stadt 1997 mit Schulden an China übergeben. Mit Druck auf London erreichte die Regierung, daß die Finanzierungspläne abgespeckt wurden – und hatte sich damit schon vor der Rückgabe in Hongkongs Politik eingemischt, obwohl sie versprochen hatte, dies 50 Jahre lang nicht zu tun. Aus dem Vertrauens- wurde ein Mißtrauensbeweis.

Heute dämpfen Wirtschaftskrise und hohe Preise die Euphorie. Die Fracht- und Passagiergebühren steigen um 20 bis 30 Prozent, auch die Fahrtkosten zum neuen Flughafen sind teurer. Dabei ist Hongkong schon jetzt die teuerste Stadt der Welt. Die Wettbewerbsfähigkeit dürfte noch schlechter werden.

Und Konkurrenz gibt es auch in der Umgebung. Das benachbarte Shenzhen buhlt ebenso um Fluggäste wie die angrenzende portugiesische Enklave Macau und deren chinesische Nachbarstadt Zhuhai. Macau hat die Frachtgebühren bei Nachtflügen bereits um die Hälfte gesenkt. In zwei Jahren eröffnet in der südchinesischen Metropole Kanton ein neuer Großflughafen. Diese ökologischen Hiobsbotschaften gehen schon heute mit wirtschaftlichen Einbußen einher. So verzeichnete Hongkongs Fluggesellschaft Cathay Pacific in den ersten sechs Monaten dieses Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum zehn Prozent weniger Passagiere. Sven Hansen