: „Dann würden wir zum reinen Elitenfernsehen“
■ ARD-Programmdirektor Günter Struve will weiter Werbespots ausstrahlen dürfen: „Es ist sehr wichtig für uns, daß wir die Kommerziellen einmal am Tag frontal angreifen“
taz: Einige Ministerpräsidenten wollen Ihnen und uns etwas richtig Gutes tun: die nervende Werbung aus den öffentlich-rechtlichen Programmen nehmen. Freuen Sie sich auch so darauf?
Günter Struve: Nein. Das wäre einmal ein finanzieller Aderlaß von einigen hundert Millionen, von denen ich nicht wüßte, wie er ausgeglichen wird. Zum anderen finde ich wichtig, daß wir in den zwei Stunden Werbezeit bewußt ein jüngeres Programm anbieten müssen, um es verkaufen zu können. Wenn wir uns nicht in diese härteste aller Konkurrenzzonen am Vorabend hereinbegeben würden, dann fände kein echter Wettbewerb mehr statt. Es ist aber sehr wichtig für die Öffentlich-Rechtlichen, daß wir einmal am Tag frontal die Kommerziellen angreifen.
Ihr Vorsitzender Udo Reiter denkt über die „Hygiene der Systeme“ nach. Die Privaten werben, aber Sie werden sauber?
In einer werbebestimmten Umwelt ist das eine Illusion. Eine Hygiene, bei der wir ein klinisch reines Programm anbieten, würde dazu führen, daß vor allem jüngere Leute und Kinder, die mit Fernsehwerbung aufgewachsen sind, glauben, das wäre gar kein richtiges Fernsehen. Es gibt eine Theorie, derzufolge das öffentliche Fernsehen in den USA trotz seiner tollen Sendungen sich deshalb nie hat durchsetzen können, weil es nicht „real life“ widerspiegelt. „Real life“ hat eben auch was mit Werbung zu tun.
„Verbotene Liebe“ und „Marienhof“ wären ohne Werbung nicht denkbar?
Zwei Daily Soaps aneinanderzuketten ohne die Legitimation durch die Werbewirtschaft – das zu rechtfertigen, da bekäme selbst ich rote Ohren. Ein hygienisch reines Fernsehen liefe Gefahr, ein reines Elitenfernsehen zu werden. Der erliegen wir ohnehin immer wieder. Für mich darf gebührenfinanziertes Fernsehen aber kein Elitenfernsehen werden. Allgemeine Fernsehgebühren zu erheben heißt, allgemeine Programme anzubieten. Interview: Lutz Meier
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