: Fallturm wird zur High-Tech-Zwille ausgebaut
■ Bremer Fallturm wird modernisiert: Neues Katapult soll Kapsel und Kameras hochschießen
Nach jahrelangen Verhandlungen hat die Wissenschaftsdeputation einen Zuschuß von 2,7 Millionen Mark für den Ausbau des Bremer Fallturmes beschlossen. „Endlich ist es soweit“, freute sich gestern der Leiter des „Zentrums für Raumfahrt und Mikrogravitation“ (ZARM), Prof. Hans Rath. Das Institut legt dieselbe Summe drauf, und damit kann ein „Kapselkatapult“ gebaut werden. Während bisher für die Versuchskapsel nur 4,6 Sekunden im freien Fall unter Schwerelosigkeit zur Verfügung standen, werden nach dem Bau der neuen Anlage im nächsten Jahrtausend die Versuchskapseln erst hochgeschossen, bevor sie dann frei fallen, die Versuchszeit unter Schwerelosigkeit verlängert sich auf 9 Sekunden.
Die „High-Tech-Zwille“ muß mit einer Genauigkeit von 0,036 Grad die 300 Kilogramm auf eine Geschwindigkeit von 1.790 Kilometern pro Stunde in die Höhe schießen. Sie enthält neben der Versuchsanordnung auch Video-Recorder oder Hochgeschwindigkeits-Kameras, die den Versuch für die spätere Auswertung dokumentieren. Nach dem Fall wird die Kapsel unter dem Fallturm weich abgefangen, damit die Geräte unzerstört für die Auswertung geborgen werden können. Ein Experiment dauert nur wenige Sekunden, bis zu drei solcher Experimente können pro Tag im Fallturm stattfinden, erklärt Prof. Rath.
Weltspitze sind aber auch die Experimente, die am Bremer Fallturm stattfinden. Zum Beispiel, erklärt Prof. Rath, kann die Selbstzündung von Diesel-Tröpfchen nur unter Schwerelosigkeitsbedingungen erforscht werden. Wenn die Fallzeit doppelt so lang ist, kann auch die Interaktion mehrerer Tröpfchen beobachtet werden. Mit einem Laserstrahl werden die im Verbrennungsprozeß entstehenden Gase sichtbar gemacht, diese Experimente finden nur in Bremen statt. Aus der Auswertung erhoffen sich die Wissenschaftler Erkenntnisse über die Schadstoffvermeidung beim Verbrennungsprozeß.
Insgesamt 2.500 „Abwürfe“ hat es bisher gegeben. Nutzer des Fallturmes sind in der Regel wissenschaftliche Instutitionen oder Firmen wie die Dasa, die sich teilweise über staatliche Forschungsaufträge finanzieren. Die „Miete“ für den Turm beträgt pro Experiment ca. 7.000 Mark, und damit ist für kleinere Versuche mit der Schwerelosigkeit der Fallturm erheblich preiswerter als es Satelliten wären. Ein weiterer Vorteil für die Forscher ist es auch, daß Experimente nicht Jahre im voraus angemeldet und geplant werden müssen, sondern relativ kurzfristig stattfinden können. Bisher gibt es vor allem in Japan einen Fall-„Schacht“, der eine doppelt so lange Fallzeit ermöglichtwie der Bremer Fallturm bisher. K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen