: Spanischer Atomnebel
■ Atomar verseuchter Stahlschrott ist in spanischem Stahlwerk Acerinox kein Einzefall
Berlin (taz) – Die radioaktive Wolke aus dem spanischen Stahlwerk Acerinox hat sich gelichtet. Doch die freie Sicht auf die Praktiken in den Hochöfen bleibt weiter verwehrt. Nach bisherigen Erkenntnissen hat Acerinox nicht nur am 30. Mai Cäsium 137 mit dem Stahlschrott eingeschmolzen und so eine radioaktive Wolke über Europa produziert, sondern bereits im Oktober und September 1997 radioaktive Substanzen in angelieferten Schrott gefunden.
Am 10. Juni fiel erneut ein Schrotthändler auf, der Stahlabfälle einer Werft anliefern wollte. Acerinox schickte ihn samt Ladung wieder weg. Einige Tage später akzeptierte das Stahlwerk den Schrott, denn er strahlte nicht mehr. Der jüngste bekannte Fall ereignete sich am 3. Juli, als die Geigerzähler an den Toren eines Acerinox-Werks erneut ausschlugen.
Ein Laster lieferte Stahlschrott an, der im Hafen von Cadiz gelöscht worden war. Der Schrott war mit kolumbianischen Kaffee und Tabak aus Venezuela in dem Hafen an der Atlantikküste angekommen. Die Hafenverwaltung von Cadiz geht daher davon aus, daß der Schrott aus Kolumbien kommt. Von den drei Metallzylindern mit Cäsium 137 zwischen den 15 Tonnen Stahl wußten die Zöllner nichts. Die wurden erst dank der Detektoren an den Toren der Acerinox-Niederlassung in Cadiz entdeckt. Die Kontrolleure des Nuklearen Sicherheitsrates teilten daraufhin mit, daß die Zylinder fünf Mikrosievert pro Stunde abstrahlten. Das entspräche der Dosis einer Röntgenuntersuchung, sei mithin „unbedeutend“.
Die Acerinox-Verantwortlichen hatten die Geigerzähler nach dem Ereignis vom 30. Mai installieren lassen. In Spanien gibt es ebenso wie in anderen europäischen Ländern kein Gesetz, das Messungen vorschreibt. Von den 14 Stahlwerken in Spanien haben 4 freiwillig Meßgeräte an ihren Toren angebracht. Bekannt wurden aber bislang nur die Funde bei Acerinox. „Wenn innerhalb von zehn Monaten sich diese bekannten Fälle ereigneten, läßt sich dann nicht auf Normalität schließen?“ fragt die Tageszeitung El Pais.
Stahlschrott trägt zu rund 40 Prozent zum weltweiten Stahlhandel bei. Dazu gehören die in Hütten anfallenden Abfälle, aber auch gebrauchter Stahl. Ist der erst mal eingeschmolzen, läßt er sich wieder vielseitig verwenden. Radioaktive Verunreinigungen hat es dabei schon öfters gegeben. So wurden zwischen 1982 und 1984 in Taiwan radioaktiv verseuchte Stahlträger in 120 Appartementhäusern verbaut. Zehn Jahre später entdeckten Kontrolleure die Strahlung: Die Bewohner des am meisten belasteten Hauses waren einer Strahlung von 120 Mikrosievert pro Stunde ausgesetzt gewesen. ufo
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