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Keine Chance für Kopftuch

■ Stuttgarter Landtag verteidigt Entscheidung, Ferestha Ludin nicht als Lehrerin einzustellen

Stuttgart (taz) – Blitzschnell ging es gestern morgen zur Sache im baden-württembergischen Landtag. Die war numeriert als Drucksache 12/2931 und stand als erster Punkt auf der Tagesordnung: „Kopftuch als Symbol des Islam an deutschen Schulen“, eingebracht von der Fraktion der Republikaner. Während deren Abgeordneter Lothar König raunzig ins Mikrophon haspelte, durfte die Hälfte der rund 40 spontan vor dem Gebäude versammelten muslimischen Frauen auf die Zuschauertribüne ziehen. Sie reagierten mit ihrem Besuch auf die am Montag überraschend schnell getroffene Entscheidung von Kultusministerin Annette Schavan (CDU), die aus religiöser Überzeugung kopftuchtragende Lehrerin Fereshta Ludin nicht zum Schuldienst zuzulassen.

Die Frauen mit Kopftüchern, vor allem Deutsche, aber auch Araberinnen und junge Türkinnen, waren schon vor der Sitzung enttäuscht. Anette Nieda Aslan: „Das ist grausam. Mein Vertrauen in diesen Staat ist über Nacht zerstört worden.“ Und: „Wir wollen mit unserer Tracht endlich aus der Putzfrauenrolle rauskommen.“ Schwierig, denn selbst der Pförtner des Hohen Hauses fragt eine ihrer verhüllten Glaubensschwestern verwundert: „Ach, Sie sind Deutsche?“

Noch enttäuschter waren die Frauen zum Ende der Debatte, als alle Fraktionen den Antrag der Republikaner zum Kopftuchverbot an deutschen Schulen zwar einerseits einhellig ablehnten, sich aber andererseits ebenso einmütig und parteiübergreifend hinter Schavan stellten. Die Ministerin stellte noch einmal fest, daß das Kopftuch bei Lehrerinnen als Symbol die negative Religionsfreiheit der Schüler tangiere. Es sei im Koran nicht vorgeschrieben und habe eine desintegrierende Wirkung. Es zu tragen sei die freie Entscheidung jeder Frau. Sie müsse aber auch die Konsequenzen erkennen können.

Schavan ließ ihrer Rede eine persönliche Erklärung folgen, in der sie sich vehement gegen den Vorwurf der Wankelmütigkeit wehrte. Ferestha Ludin habe nach ihrer Überzeugung zwar Referendarin, nicht aber Lehrerin werden dürfen. Der staatliche Schuldienst stelle besondere Anforderungen an Toleranz, Vorbildchararkter und Neutralität der einzelnen. Bei Zulassungen zum Staatsdienst müsse auch weiterhin jeder Einzelfall in Güterabwägung zwischen den Grundrechten geprüft werden. „Und niemand weiß, was am Ende dabei herauskommt“, so Schavan. Nach ihrer Rede applaudierte ihr auch die rot-grüne Opposition. Das Kopftuch, hatte die grüne Abgeordnete Biggi Bender erklärt, diene nun einmal nicht dem Diskurs, sondern sei „demonstrativer Akt religiösen Bekenntnisses in der Bekleidung“. Sie forderte statt dessen eine „Politik der Toleranz“, die an baden-württembergischen Schulen einen qualifizierten islamischen Religionsunterricht anbieten könnte. Heide Platen

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