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■ H.G. HolleinFürstlich

Die Stadt, in der ich lebe, steht unter seinem Denkmalschutz. Hering, Korn und Mineralwasser hat man seinem Namen nach der Erhebung zum Fürsten angehängt, und am 30. dieses Monats ist er nun hundert Jahre tot. Das ist länger, als die meisten anderen leben. In seinen Bestzeiten brachte Otto von Bismarck 247 Pfund auf die Waage, fürwahr ein politisches Übergewicht, mit dem „des Deutschen Reiches Baumeister“ für einen anderen „Kanzler der Einheit“ nicht nur physische Maßstäbe setzte. Wer soviel wiegt, bleibt eben auch lange auf seinem Sessel sitzen. Und „wen er verdächtigte, selbst Ambitionen auf das Kanzleramt zu haben, der wurde rasch aufs politische Abstellgleis geschoben“, schrieb ein Biograph über ihn. Über Bismarck in diesem Fall. Die Sozialdemokratie verdankt seinem Dauer-Regime ihre erste Blüte, und in Hamburg wacht er seit 1906 vom Millerntor aus mit strengem Wohlwollen über das hanseatische Wirken der Enkel und Urenkel August Bebels, für den Hamburg immerhin „die Hauptstadt des Sozialismus“ war. Auch in unseren Tagen stünde „den Sozen“ ein gewisser Ausdruck des Dankes für den jahrtausendendlichen Wiederaufschwung durch kanzlerseitige Selbstabnutzung nicht schlecht an. Etwa in der Dotation mit einem angemessenen Altersruhesitz. Bismarck vergrummelte seine letzten Jahre auf Schloß Friedrichsruh im Sachsenwald, seiner Tantieme für die Reichsgründung. Einem abgekanzelten Kohl könnten Hammonias Leitsozis als Realienprämie für die Wiedervereinigung doch wenigstens einen Flügel des Schröderstifts freiräumen lassen. Der Oggersheimer träumt zwar vermutlich eher vom Weißen Rößl am Wolfgangsee, aber kein Kanzler einer kleindeutschen Lösung kann auf Dauer in Österreich seinen Polit-Pensionärsfrieden finden. Andererseits, um den Fürsten in einer seiner bevorzugten Lateinkreationen zu zitieren: „Nescio, quid mihi magis farcimentum esset. - Ich wüßte nicht, was mir mehr Wurst wäre.“

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