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Dead End Paradise: Kammermusical in der Schiller Werkstatt

Das Gemeine am Sommerloch ist, daß der Blick manchmal auf Ereignisse fällt, die im Verborgenen besser aufgehoben gewesen wären. Da hatten die vier Damen aus Westdeutschland inmitten der Spielpause doch noch Karten ergattert – für den vielversprechenden Titel „Dead End Paradise“. Ein Musical, Premiere noch dazu, na bitte. Allerdings hing schon im Foyer ein Zettel, daß an diesem Abend „aus technischen Gründen“ das Orchester leider nicht spielen könne. Übrigens nicht nur an diesem Abend, sondern überhaupt nicht mehr. Weil die Komponisten einfach „alles in die Partitur hineingeschrieben“ hätten, habe das Orchester die „affenschwere Musik“ nicht mehr rechtzeitig geschafft. So wird die Geschichte, wie Gott seinen Sohn auf die Erde schickt, damit er sich ein zweites Mal bewähre, eben vom Klavier musikalisch unterlegt.

Das macht auch eigentlich gar nichts, denn Wolf Christian Ulrich ist ein hervorragender Pianist, und der Musik-Ballade – Schnulze und Co – tut ein wenig Nüchternheit auch ganz gut. Ärgerlich ist, daß auch in das Libretto der studentischen Eigenproduktion so ziemlich alles „hineingeschrieben“ wurde.

Das geht auf der Bühne, anheimelnd wie im Hörsaal, munter durcheinander und soll – Achtung, Moral! – zum „Spiegel einer Gesellschaft werden, die keine Lösungen mehr anzubieten hat“. Jesus alias Christian verfällt, auf der Suche nach Wahrheit, erst dem terroristischen Eifer einer Untergrundgruppe und dann dem kindlichen Charme einer Frau (wer hätte das gedacht).

Doch der ideologische Gehalt moderner Wahrheitsbegriffe ist ein kniffliges Terrain, das sich nun mal schlecht mit Dur-Moll-tonaler Musik und achttaktigen Melodien verträgt. Das, was an gesellschaftskritischen Ambitionen in das Stück hineingetragen wurde, wird durch Salonmusik hinterrücks wieder herausgeschafft. Zwar wird der pädagogische Gestus zuweilen gelockert, indem der Pianist ironisch-charmant das Geschehen erklärt. Gemein nur, daß das die Sache auch nicht retten kann. Christine Hohmeyer

„Dead End Paradise“. Ein Kammermusical von Benjamin Pichlmaier und Wolf Christian Ulrich

Weitere Aufführungen am 25. und 26. Juli sowie am 30. und 31. Juli jeweils um 20 Uhr in der Schiller Theater Werkstatt, Bismarckstraße 110, Charlottenburg

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