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Die Wahlkampfstrategie der CDUGrößter Gegner Wechselwunsch

■ Bremer Union will Unsicherheit durch Schröder und SPD zum Thema machen

Die Bremer CDU hat einen ganz besonderen Gegner für ihren Bundestagswahlkampf ausgemacht: Nicht den selbstbewußten SPD-Kandidaten Gerhard Schröder, nicht die rotbesockte PDS oder die Fünf-Mark-Benzinpreis-Grünen gilt es zu bekämpfen. Vor dem Urnengang am 27. September muß es die Union besonders mit der „latenten Wechselbereitschaft“ der Menschen aufnehmen. Das ist zumindest die Wahrnehmung, die der Bremer CDU-Landeschef Bernd Neumann gestern der Presse kundtat. „Man muß doch aber fragen: Was kommt danach“, nämlich nach einem Wahlsieg Schröders. Und da sieht Neumann Böses drohen und hofft, diesen Schrecken auch vielen WählerInnen vermitteln zu können: „Rot-Grün mit Schröder, Stollmann und Co wäre eine Fahrt ins völlige Ungewisse“, sagte Neumann und weidete sich an den „Diskrepanzen“ zwischen Schröder, seinem quereingestiegenen Schatten-Wirtschaftsminister und weiten Teilen der SPD. Zum Beispiel der Ladenschluß: Da wisse man wirklich nicht, was man unter Schröder zu erwarten habe. Darum, so Neumann ganz theatral, habe der „Akt Entzauberung Schröders“ begonnen.

Weil man aber diese Argumente für die bewährte Regierung nicht auf Plakaten oder in Fernsehspots rüberbringen könne, wolle die CDU mehr persönliche Gespräche und Kontakte mit den Menschen suchen. Auch nicht mit irgendwelchen Menschen, sondern bevorzugt mit CDU-Sympathisanten. Wenn die alle zur Urne gingen, sei die Wahl gelaufen für die Union. Man brauche der in den Umfragen um fünf Prozentpunkte enteilten SPD nur drei Prozentpunkte abzunehmen und alles sei wieder offen, so Neumann.

In Bremen backt die Union indessen kleinere Brötchen: Weil man „wegen der Struktur“ keine Chance auf einen Direkt-Wahlkreis habe, bleibe es das Ziel, das zweite Listenmandat für die CDU zu sichern. Um so den bremischen Beitrag für Kohls Sieg zu leisten, greift die Parteizentrale am Wall – wie es ich in der selbsternannten Call Center City Bremen gehört – erstmals zu einem Instrument des Telefonmarketing, das Neumann „Telefoncanvassing“ nennt. Bei professionellen Adressen-Händlern kauft die CDU Namen ein, auf die die Merkmale von potentiellen Anhängern zutreffen. Bleibt nach einem Anschreiben eine Abwehr-Reaktion aus, rücken eigens geschulte CDU-Mitglieder den Ausgesuchten telefonisch auf die Stube und flüstern ihnen die Angst vor der Schröderschen Ungewißheit ein.

Die Bremer CDU bringt auch klassisches Wahlkampfgeschütz in Gestalt Bonner Prominenz in Stellung: Das dickste Kaliber – der Kanzler persönlich – schlägt am 7. Septemer auf dem Marktplatz ein. Joachim Fahrun

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