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Senat: TBT noch einmal in die Nordsee

■ Senat beschloß 117 Millionen Mark für Deponierung des TBT-vergifteten Hafenschlicks / Werden 1998 ca. 350.000 Kubikmeter verklappt? Krabbenfischer: „Umweltskandal erster Güte“

Nach monatelangem Zögern hat der Bremer Senat gestern das Konzept des Häfensenators zur Reduzierung und Deponierung des TBT-haltigen Hafenschlicks beschlossen. Umstritten war in den letzten Monaten vor allem die Finanzierung. Inzwischen hat das Häfenressort eine Liste von Maßnahmen zur Reduzierung der Baggergut-Mengen erarbeitet. Nach dem vom Senat zur Kenntnis genommenen Konzept sollen bis zum Jahre 2002 insgesamt 63 Millionen Mark aus dem Etat des Häfensenatorts über Kredit finanziert werden, zusammen mit den auflaufenden Zinsen sind bis zum Jahre 2026 insgesamt 117 Millionen Mark abzustottern.

200.000 Tonnen gering belasteter Schlick sollen jedes Jahr weiterhin in die Nordsee gekippt werden, eine Restmenge von 100.000 Kubikmetern soll jedes Jahr auf die Deponie Seehausen gebracht werden. Einige der Maßnahmen zur Verringerung des Schlicks im Hafen, die das Hafenamt unter dem TBT-Druck entwickelt hat, sind schon Anfang dieses Jahres umgesetzt worden. So werden die Schleusentore abgedichtet und die Solltiefen verringert.

1998/99 will der Häfensenator noch einmal schnell 350.000 Tonnen stark TBT-haltigen Schlick in die Nordsee kippen. Im Nationalpark Wattenmeer (Wurster Arm) erlaubt es Niedersachsen aber nicht mehr. In der Fahrrinne der Weser, geplant wird derzeit der Kilometer 69, stößt das Vorhaben auf das Nein des Wasser- und Schiffahrtsamtes des Bundes, das die Fahrrinne der Außenweser derzeit ausbaggert und strengen Umwelt-Auflagen zugestimmt hat. (vgl. taz vom 19.7.)

Wenn die TBT-Werte hier steigen, könnte die Außenweser-Vertiefung ins Gerede kommen. Nach Angaben des Hansestadt-Bremischen Hafenamtes (HBH) kommen jedes Jahr 2.000 Kilogramm TBT die Weser herunter und niemand weiß, wo sie landen. Bei Ebbe würden sie im Watt von den UV-Strahlen aufgelöst, hat HBH-Chef Grabert den Umweltschützern erzählt, die am Montag mit den Behörden über das TBT-Thema zusammengesessen haben.

„Abenteuerlich“ findet der Umweltschützer Peter Willers von der Aktionskonferenz Nordsee (AKN) solche Behauptungen. Für die AKN ist wie für den Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) jeder Kubikmeter TBT-belasteter Hafenschlick einer zuviel. Willers rechnet damit, das die EU demnächst für TBT einen um ein Zehnfaches niedrigeren Grenzwert beschließt als die derzeit akzeptierte Zahl von 100.000 Mikrogramm pro Kilo Trockenmasse, aufgrund derer Niedersachsen das Ende der Verklappung im Wattenmeer verkündet hat. Problematisch ist der Senatsbeschluß für Willers vor allem auch, weil weitere 350.000 Kubikmeter Schlick weiter in die Nordsee gekippt werden sollen.

Wenn das Wasser- und Schifffahrtsamt dies nicht verhindert, so hofft er, könnten Klagen der Fischer vor Gericht Erfolg haben. Die Fischer reden nur noch von „Giftschlamm“ und einem „Umweltskandal erster Güte“. Sie sind besonders sauer, weil ihnen schon durch die Weservertiefung der Fedderwarder Priel kaputt gemacht worden ist. Und die Fischer kündigen an, sie würden notfalls „das Weserfahrwasser sperren“ und so „die Verklappung mit unseren Kuttern behindern“: „Wir in Butjadingen können nicht zulassen, daß uns der Rest Natur und die spärlichen Fischgründe, die uns nach der Vertiefung der Weser noch bleiben werden, mit Griftbrühe zugeschüttet werden sollen.“ K.W.

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