Press-Schlag: Frisch vom Balaton
■ Der Karlsruher SC fliegt Guido Buchwald zum Spiel gegen Ulm aus Ungarn ein
Über mangelnde Freizeit kann der gemeine Profikicker sich nicht beklagen. Ein bißchen joggen, ein bißchen den Ball hin und her schieben, hin und wieder ein paar taktische Dinge üben (oder wenigstens so tun) – mehr als zwei, drei Stunden dauert das gutbezahlte Tagwerk selten bis nie. Bleibt also jede Menge Zeit für die schönen Dinge des Lebens, dem Vernehmen nach stehen Golf- und Computerspiele ganz oben in der Gunst der Herren Fußballer. Ersatzweise sei ein Besuch beim Autohändler oder Juwelier empfohlen, die neuesten Modelle an Cabrios und Goldkettchen wollen gesichtet sein. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Außer Urlaub natürlich, dann nämlich, wenn der Ball nicht rollt, sondern ruht, was Sommer wie Winter jeweils wochenlang der Fall ist. Dem ist schon deshalb so, weil Trainer Fußballehrer sind – eben auch Lehrer, ein Abart zumindest – und als solche viel Ferien brauchen, unterrichtsfreie Zeit, fußballfreie Zeit eben. Das ist für den gemeinen Kicker gar nicht so angenehm, denn wenn alle auf einmal in Urlaub müssen, wächst die Wahrscheinlichkeit, im fernen Feriendomizil einem mißgeliebten Kollegen, nennen wir ihn ruhig mal Matthäus, über den Weg zu laufen, geradezu beängstigend an – und schon wäre es rum mit Entspannung und Erholung.
Davor wenigstens braucht Guido Buchwald sich in diesen Tagen nicht zu fürchten. Derweil die Kameraden in den Übungsstunden schwitzen, liegt der Kapitän von Absteiger Karlsruher SC samt Familie am Strand des Plattensees und läßt sich die Sonne auf den Bauchnabel scheinen – obwohl doch Liga zwei gerade wieder in Betrieb gegangen ist und der KSC gleich sein erstes Spiel verloren hat in Hannover.
Aber Guido ist nunmal einer, der zu seinem Wort steht; und sein Wort hat er schon lange gegeben – seiner Familie nämlich: „In den Schulferien fahren wir gemeinsam in Urlaub“, hat Guido versprochen, und die Schulferien haben in Baden- Württemberg gerade begonnen. Bis dahin wollte der Schwabe seinen Job im Badischen ohnehin erledigt haben: Den KSC retten vor dem Abstieg. Dafür hatte er im Winter schon auf den Skiurlaub verzichtet, umsonst, wie sich später herausstellte. Der KSC stieg ab, Guido mit ihm, und weil man auf solche Weise eine große Karriere nicht beendet, hat sich der 37jährige zum Weitermachen entschieden – wenn, ja wenn sie ihm beim KSC die Sache mit dem Familienurlaub genehmigen würden.
Das haben sie natürlich getan, zumal Buchwald die Ferien gnädigerweise nicht auf den Seychellen, sondern in Ungarn verbringt. So wird Guido am Sonntag eingeflogen zum Spiel gegen den SSV Ulm und dann wieder ausgeflogen an den Plattensee und am Donnerstag schon wieder eingeflogen zum Spiel gegen Mainz und... Und dann ist der Urlaub von Guido auch schon vorbei. Frank Ketterer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen