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■ H.G. HolleinOpa

Die Frau, mit der ich lebe, achtet darauf, daß ich mich regelmäßig bei ihrer Friseurin melde. „Er ist da oben ja schon ziemlich schütter“, hat die Gefährtin irgendwann einmal beiläufig befunden und das Verdikt einer dynamisch-modischen Kurzhaarfrisur verhängt. Seitdem blickt mich nach vollzogener Schur jedesmal der Geist eines lange verblichenen Ahnen aus dem Spiegel an. Kein Zweifel, von den langen, eher zu dünnen Beinen, dem – leichten – Spitzbauch und den Geheimratsecken – seinerzeit hoffnungsvoll Denkerstirn genannt – bis zur tonsurartigen Lichtung auf der Schädelkuppe: Es ist unübersehbar alles da. „Der wird mal ein echter Grensemann“, wußten denn auch schon meine Mutter und deren Mutter, wenn sie ihren vierjährigen Hoffnungsträger von „Coiffeur Mecke“ – „Mecke um die Ecke“ – zurück vor Opa Heinrich führten. Der strich mir daraufhin melancholisch-abwesend über den halbkahlen Schädel und ging weiter seiner häuslichen Wege. Die führten ihn winters allmorgendlich an den Kohleherd in der Küche und den Ofen im Wohnzimmer. Opa war nämlich Lokführer gewesen – auf Dampfloks –, also oblag ihm das Befeuern der heimischen Herde. Sonst oblag ihm meiner Erinnerung nach wenig. Mithin, er stand meiner Oma immer ein bißchen im Weg. Das sah er offenbar auch so und strebte darum – vor allem sommers, wenn's nichts zu heizen gab – nach dem Frühstück der nahegelegenen Bahnhofskneipe zu. „Heini ist mal eben um den Block“, war die rituelle Antwort, mit der Oma die wissenden Fragen ihrer immer mal „auf einen Sprung“ vorbeischauenden Nachbarinnen beschied. Opa starb dann auch bald an frühzeitiger Demenz. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind ja angeblich immer rein zufällig, aber da ich unter anderen auch noch Opa Heinrichs Namen trage, kann ich Frisörbesuchen nun mal nichts abgewinnen. Auch wenn die Gefährtin mir jedesmal hinterher versichert, ich sähe so wirklich besser aus.

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