■ Vorschlag: Echokammer auf dem Wasser: Der Dub-Cruiser legt im Tiergarten Richtung Müggelsse ab
Das Dub-Boot des Jahres 1981 war eines dieser geilen Sumpfpropellerboote, wie man sie in der Kindersendung „Flipper“ immer so sehr schätzte. Auf dem Plattencover der legendären Scientist-LP „Rides the world of the evil curse of the vampire“ rauscht mit einem solchen Boot ein entschlossener Dub-Warrior-Trupp aus der rechten Bildhälfte auf eine am Ufer sich abspielende desolate Szenerie zu. Die Ankunft des Bootes sorgt dort für Panik: Dracula hat die Hände zur Abwehr erhoben, eine wieder flottgemachte Mumie sucht das Weite; die in Trance entrückte Voodoo-Predigerin fällt flehend auf die Knie, und selbst die Sumpfkrokodile merken, daß es ungemütlich wird. Alle wissen, warum: Das coole Personal des Propellerbootes ist zum Aufräumen entschlossen – es pumpt aus einem prallen Soundsystem Dub in die Gegend!
Das Dub-Boot des Jahres 1998 ist zum Musikdampfer gereift, und sein Ziel ist der nächtliche Müggelsee, wo die Dunkelheit der Echokammer herrscht. Wird man dort den Augiasstall Babylon ausmisten? Wird man vergeblich nach einem letzten Gerechten suchen? Oder wird es zumindest eine dufte Party geben? „Wegen der großen Nachfrage“ veranstaltet der Plattenladenbesitzer, DJ und einstige Organisator des Dub-Clubs, Dirk/Deeroy, den dritten „Dub-Cruiser“ – eine Bootsfahrt zu einem der größeren Seen bei Berlin und damit weit ab von den lärmempfindlichen Ohren der Frühaufsteher. Auf allen Decks soll dann die Geschichte des Dub durchmessen werden. Der digitale Neo-Dub-Sound der Neunziger von zumeist britischer Herkunft, der sonst den stilistischen Schwerpunkt des Dub- Clubs bildete, wird, so verspricht es Deeroy, durch vermehrte Exkursionen in die klassische Seventies-Dub-Geschichte aufgelockert. Dazu treten an Käpt'n Deeroy himself, Ashne und Dub Squad. Die letzte Ausfahrt – kühn auf den Tag der Love Parade gelegt, wohlwissend, daß Dub-Reggae und Techno getrennte Wege gehen (bislang zumindest) – profitierte vom fröhlichen Ausnahmezustand, den die Parade über die Stadt bringt, und machte das Schiff zur Insel der Seligen. Nils Michaelis
Abfahrt: heute, 21.30 Uhr, am Reichstagsufer, gegenüber dem Bahnhof Friedrichstraße; Karten 33 DM (wg. satter Schiffsmiete)
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