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Wand und BodenStumm wacht die Security im coolen Britannien

■ Kunst in Berlin jetzt: Bar-Amotz/Cheung, Tandberg/Ekeberg, Dunsmore/Galvin/Sloan

Das Dogenhaus hat den Kurator gewechselt. Bislang war Michael Kapinos für ein eher Los- Angeles-lastiges Programm zuständig, jetzt kommt Angela Rosenberg mit einer Auswahl vom Londoner Goldsmith-College. Wird nun alles „young, british and saleable“? Interessanterweise ist die Londoner Kunstszene, die Tony Blair zuletzt unter „cool britannia“ subsumierte, gar nicht national gefestigt. Das Goldsmith College wird gerade wegen des Erfolgs von Damien Hirst & Co. von KünstlerInnen aus aller Welt frequentiert – Guy Bar-Amotz stammt aus Israel, Lisa Cheung wurde in Hongkong geboren. Dennoch beschäftigen sich beide explizit mit London als Metropole der neunziger Jahre. Auf Cheungs Leuchtkästen sieht man Fotografien aus dem nächtlichen Stadtbild: verschlafene Menschen, die auf den Doppeldecker- Bus warten; modernistische Telefonzellen in froschigem Grün; ein chinesischer Take-Away-Shop, wo man bei einer Bestellung von über zwölf Pfund zwei Liter Gratis-Getränke bekommt. Der Ladenbesitzer lächelt trotz der Verzweiflungsangebote freundlich in die Kamera. Bescheidene Gesten in Zeiten des Marktes. Während Cheung in der Reduktion eine distanzierte Bildsprache à la Jeff Wall zitiert, arbeitet sich Bar- Amotz mit seiner opulenten Installation „Positive Vibration“ gezielt an die low culture heran. Für eine Dokumentation hat er tagelang einen Straßenmusiker mit der Videokamera durch London verfolgt. Mal plärrt der Sänger in der Kälte Lou Reeds „Perfect Day“ vor sich hin, dann liegt er zufrieden in der Badewanne, während man seine Version von „Sexy Sadie“ hört. Der Text zum Beatles-Song wird als Laufschrift eingeblendet und auf überdimensionalen, selbstgebastelten Boxen im Galerieraum abgespielt. Hier beginnt die Interaktion mit dem Zuschauer: Wer möchte, kann live zum Video Karaoke singen. Naturgemäß muß eine solche Beteiligung versöhnlich stimmen, und die Auswahl der Seventies- Pop-Memorabilia macht den Einstieg ohnehin ziemlich leicht. Gerade in der romantischen Verklärung der Songs wird das soziale Dilemma der Protagonisten des Films deutlich. Der Straßenmusiker bewegt sich bei seiner Arbeit stets zwischen Outlaws und Gestrandeten; er ist das Idealmodell eines Künstlers, der sich in der rauhen Wirklichkeit bewähren will. Während ein Punk über MTV schimpft, singt er „Angie“ und ein junges Pärchen küßt sich dazu ab; im Hintergrund wacht über allem stumm der Sicherheitsdienst einer Shopping Mall. Diese Art Realismus hätte vielleicht auch Courbet gefallen.

Bis 25.8., Mi.–Fr. 14–19, Sa. 11–16 Uhr, Auguststraße 63

Die drei irischen KünstlerInnen, die von der Galerie caoc zu Gast bei Walden ausgestellt sind, graben in der deutschen Geschichte. Daß damit ein Zeichen gesetzt werden soll angesichts der nach rechts verrutschten Politik, stimmt nachdenklich – ein Scharnier in die Gegenwart der Freys und Roeders bilden die Fotos und Installationen jedenfalls nicht. Martina Galvin beschäftigt sich mit Gedichten von Kindern aus dem KZ Birkenau, Victor Sloans „Stadium“ ist eine Serie mit Fotografien aus dem Olympiastadion, und Amanda Dunsmore hat für „Plan“ möglichst viele alte Straßenschilder von Weimar zusammengetragen, bevor die Emaille- Tafeln entweder durch hochmodernes Plastik ersetzt oder aber die Straßen selbst neu benannt wurden. Dunsmores Installation lebt von der massiven Wirkung der Schilder, die raumgreifend wie ein blauer Farbanstrich an die Wände genagelt wurden. Zugleich stechen in der Menge nur vertraute Namen hervor, ohne daß sich eine spezifische Lesart ergibt.

Erst die subtilere Variante mit diagroßen Fotos, die in Kästen aufgereiht sind, fügt den Kontext der Recherche wieder zusammen – dort springt man dann vom obligatorischen Goethe über Richard Wagner in die Idylle vom Nachtigallenweg oder zum Bauhaus als städtischem Aushängeschild.

Daneben erzeugen die Fotos von Victor Sloan ein gebrochenes Bild der Architektur des Faschismus. In einem Endlos-Projekt dokumentiert Sloan anhand Speerscher Bauten, wie jedes Zeichen die Totalität des Entwurfs zu multiplizieren scheint. Der Beton des Olympiastadions paßt zum Grau der Statuen, das sich auch in der Aufnahme einer Glocke wiederfindet – oder in den Schuttbergen der Topografie des Terrors.

Ähnlich dicht am Gegenstand ist die Arbeit von Martina Galvin orientiert: „Birkenau“ versammelt eine Reihe zersägter Birkenstämme mit Texten aus dem Konzentrationslager. Die Einschreibung hat etwas von einer Verzweiflungstat, für die neben Kindergedichten auch Prozeßakten und Briefe aus dem KZ in feiner Handschrift von Galvin niedergeschrieben wurden. Sie sieht in diesem Akt eine Möglichkeit, die Undarstellbarkeit des Holocaust auf den persönlichen Umgang mit Erinnerung zu übertragen. Die Undarstellbarkeit aber bleibt.

Bis 23.8., Fr.–So. 16–20 Uhr,

Kastanienallee 86

Vibeke Tandberg hat ihre Arbeit im Künstlerhaus Bethanien unglaublich professionell angelegt. Den Mittelpunkt bildet dabei eine 8mm-Filmprojektion en miniature: Zwei Frauen, die gegeneinander um die Wette boxen. Beide Male ist es die 1967 geborene Norwegerin selbst, die hier mit sich in den Ring gestiegen ist. Der Trick beruht auf einer simplen Doppelprojektion, bei der zwei Filme auf beiden Seiten der Leinwand gezeigt werden. Erst die Überschneidung auf der Bildfläche stellt den Kampf her. Das ist clever konzipiert und durchaus niedlich anzusehen, zumal die eine Tandberg meistens ins Leere schlägt, während die andere Tandberg trotzdem schmerzverzerrt in die Knie geht. In den dazugehörigen Fotos überwiegen jedoch Narzißmus und Geschäft – zu sehr bedienen die Images von der durchgeschwitzten Künstlerin im grauen Turnhemd das Klischee vom kauzigen Riot-Girl. Der eifrige Actionfilm wird auf konventionelle Selbstporträts zurechtgestutzt. Daß Tandberg sich für Sport interessiert, mag man ihr dennoch glauben. Immerhin tritt sie auch im „Subjective Football“- Video von Jonas Ekeberg auf. Hier wird das Spiel mit filmischen Techniken allerdings komplett undurchschaubar. Vor dem Match wurde eine Kamera mit einer Öffnung für die Linse in den Fußball eingenäht. Nun toben die Bilder bei jeder Ballberührung über den Monitor, so daß man nur einen kaum zusammenhängenden Salat aus Raumsituationen erkennen kann. Wenn der Ball einmal liegenbleibt, stehen die Menschen in Halbschräge auf dem Spielfeld herum. Wer den Trick verstanden hat, schmunzelt kurz und geht dann weiter.

Bis 23. 8., Mi.–So. 14–19 Uhr, Mariannenplatz 2 Harald Fricke

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