: Käpt‘n Iglo muß die Preise erhöhen
Die Fangflotten haben es geschafft: Bislang konnten sie auf andere Meeresfische ausweichen, wenn der Alaska-Seelachs knapp wurde. Jetzt sind auch die weggefischt. Fischstäbchen werden teurer, frischer Fisch auch ■ Von Rüdiger Haum
Berlin – Die Überfischung der Meere wird sich künftig erstmals auch gewaltig im Geldbeutel der Verbraucher bemerkbar machen. Weil die Fischbestände durch jahrzehtelangen rücksichtlosen Fang extrem dezimiert wurden, ist der Weltmarktpreis etwa für eine Tonne Alaska-Seelachs, der Grundlage für die Hälfte aller Tiefkühlkost aus Fisch, bereits jetzt gestiegen. Kostete sie im vergangenen Jahr noch 1.625 US-Dollar, so ist sie heute mit 3.250 US-Dollar doppelt so teuer.
Fischexperten der Umweltschutzorganisation Greenpeace sehen in der drastischen Erhöhung der Preise ein Warnsignal dafür, daß die weltweiten Fischgründe kurz vor der völligen Ausschöpfung stehen. „Wenn der Weltmarktpreis für Alaska-Seelachs so anzieht“, sagte der Leiter der Greenpeace-Meereskampagne, Peter Püschel, „sind viele Salzwasserspeisefische bedroht“ — sie müßten als Ausweichmöglichkeit herhalten.
Bestätigt wird dies auch durch eine neue Studie des World Wildlife Found for Nature (WWF), nach der bereits 70 Prozent der wertvollsten Fischbestände, darunter Ostseelachs, Atlantischer Heilbutt und Roter Thunfisch, überfischt sind.
Leichte Preissteigerungen des Alaska-Seelachses waren bislang schon nicht ungewöhnlich. Sie zeigten an, daß die ohnehin stark dezimierten Schwärme noch kleiner wurden. Die Fangflotten reagierten darauf, indem sie ihre Netze nach Ausweichfischen wie dem Argentinischen Seehecht auswarfen und darauf warteten, daß der Alaska-Seelachs sich wieder vermehrte und der Preis sank.
„Steigt der Preis aber so stark wie jetzt“, meint Püschel, „sind auch die Ausweichfischbestände weg.“ Die geringen Fangmengen treiben den Preis auf den Weltmärkten in die Höhe. So hoch, daß die Fischindustrie ihre Zusatzkosten jetzt an den Verbraucher weitergeben will.
Die Firma Iglo hat die Preise für ihre Tiefkühlprodukte aus Fisch bereits in zwei Schritten um insgesamt 20 bis 25 Prozent verteuert. Weitere Preissteigerungen, teilte eine Firmensprecherin mit, „seien unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen“.
In der Fischbranche gilt der Weltmarktpreis von Alaska-Seelachs als Richtschnur für die Preisentwicklung aller Fischarten. Entsprechend glaubt auch Folkert Marr, Geschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Fischindustrie und des Fischgroßhandels, daß bald weitere Preissteigerungen zu erwarten sind. Die Gefahr, daß die hohen Preise dafür sorgen, daß die Jagd auf Alaska- Seelachs noch beliebter — weil rentabler — wird und noch mehr Lachse gefangen werden, besteht nach Einschätzung von Experten aber nicht. „Dafür gibt es einfach viel zu wenig Alaska-Seelachse“, erklärt Püschel. Die gesamte Fangmenge sei von 7 Millionen Tonnen jährlich in den achtziger Jahren auf heute 3 Millionen Tonnen gesunken.
Nachdem auch die Vertreter der Ausweichsorten immer seltener in den Ozeanen schwimmen, werden nach Ansicht des Greenpeacelers zukünftig andere, bislang noch ungewohnte Fischarten in die Kochtöpfe der Verbraucher kommen.
Nach Angaben seiner Organisation ist beipielsweise das illegale Fangaufkommen des Patagonischen Zahnfisches, der in südlichen Polargewässern vorkommt und sich vorzüglich zum Verzehr eignet, drei- bis viermal höher als die Quote vorsieht.
Das Ausweichen auf andere Fischsorten ändert nichts am Grundproblem der Fischerei. Die Supertrawler mit ihren riesigen Schleppnetzen haben so hohe Fangkapazitäten, daß sich die Bestände auch in den Schonzeiten nicht mehr erholen können. Entweder, weil der aufwachsenden Fischbrut zwischenzeitlich die Nahrungsgrundlage weggefischt wurde oder weil die wenigen Fischeier für ihre natürlichen Feinde als Frühstück herhalten müssen.
Als einzigen Ausweg aus der Fischmisere verlangt die WWF- Studie eine radikale Verkleinerung der hochtechnisierten Fangflotten. Zwei Drittel aller Hochseefischereischiffe, so WWF- Fischereiexperte Christian von Dorrien, dürften die Häfen nicht mehr verlassen. Die Studie korrigiert damit eine Schätzung der Welternährungsorganisation (FAO), die bisher davon ausging, daß ein Fangverbot für ein Drittel der Schiffe ausreichen würde, um die Fischbestand zu sichern.
Wichtigstes politisches Mittel dazu sei eine Streichung der weltweiten Subventionen für die Fischereiindustrie. Insgesamt belaufen sich die staatlichen Zuzahlungen laut Studie auf 19 bis 37,8 Milliarden Mark. Allein die EU ist mit 2,7 Milliarden Mark dabei.
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