: Internet-Radio killt Videostar
Die visuelle Umsetzung von Radio, der Text als interaktive Party: convex tv. kann man gleichzeitig auf UKW und im Internet empfangen. Und an den convex-tv.-Partys nimmt man am besten via Internet teil ■ Von Gerrit Bartels
Für den eifrigen Berliner Partygänger hieß es in den letzten Monaten öfter einen kleinen Raum in einem ehemaligen Lagerhaus- und jetzigen Atelierkomplex in der Schlegelstraße 26/27 in Mitte aufsuchen. Der Grund: eine convex- tv.-Party. Wobei man sich unter dem Label convex tv. immer nur Ungenaues vorstellen konnte. Machen die etwa Fernsehen? lautete dann auch eine gern gestellte Frage.
Nicht ganz; convex tv. macht eigentlich Radio. Wenn man will, auch Radio, das man auf einem Bildschirm sehen kann: Internet- Radio. Und convex tv. versucht, wie man es in einem Programm formuliert, „Radio mit dem WWW und dem öffentlichen Echtzeitraum zu kreuzen, den eigenen Standpunkt auf doppeltem Boden als Statement zu präsentieren“. Oder, wie es Florian Clauß, einer der Radiomacher, sagt: „Wir wollen mit convex-tv. auch einen Sozialraum, eine Wohnzimmeratmosphäre konzipieren.“ Beispielsweise Partys veranstalten, zu denen man sich dann von außen via Internet zuschalten kann.
„Live-Streams“ nennt man so was unter Netzfachleuten. „Live Streams“, die allerdings nichts daran ändern, daß für Partybesucher die Kommunikation weiter über Musik, Gespräche und Getränke läuft. Langeweile oder unvergeßliche Augenblicke inklusive, je nach individueller Verfassung.
Seit eineinhalb Jahren sendet convex tv. als Teil des Uni Radios Berlin-Brandenburg auf der Frequenz von „Voice Of America“ einmal im Monat am Sonntag ein Magazin. Allerdings eines, das sich von Anfang an als ein Gegengewicht zu Tagesaktualität und professoral-wissenschaftlichem Uni-Sprech verstehen wollte. Mit Blick- und Senderichtung auf neue Medien, digitale Kunst, elektronische Musik, popkulturelle Phänomene usw., mit Beiträgen, die sich mit der 64-bit-Konsole von Nintendo genauso wie mit der Berliner Band Mina oder zeitgenösssischer deutscher Fotografie beschäftigen. Gesendet wird das, was an Ideen von den zirka zehn convex tv.-Mitgliedern und aus deren Freudeskreis kommt.
Doch auch formal möchte man sich vom klassischen Radio-Format lösen und andere, neue Wege beschreiten, die nichts mit der laut convex „top down gesendeten Hochkultur“ zu tun haben. Stefan Schreck, convex-tv.-Gründungsmitglied und Software-Spezialist, beschreibt das so: „Mittlerweile hat sich das immer mehr aufgelöst, mit längeren Beiträgen, vielmehr O-Tönen. Wir haben keine Moderation mehr, höchstens noch eine kurze Begrüßung. Danach ist der Beitragsmacher selbst dafür verantwortlich, wie er seine Bausteine zusammensetzen will. Wir versuchen, das Weitere auf der Soundebene zu lösen, die sich als roter Faden durch das Programm ziehen soll.“
Irgendwann kam dann die Frage auf: Wie kann man „die verschiedenen Räume on air und im Netz nutzen? Text-DJing haben wir das genannt und die Texte dann parallel auf dem Server hochgeladen. So kam die Idee auf, auch Internet-Radio zu machen.“ Das Internet als Ablage nutzen, als Radio-Archiv. Zugänglich für jeden, so er denn mit der richtigen Technik, sprich Computer und Netzzugang, ausgerüstet ist, wobei die DJ-Sets auf den Partys dann, wie Stefan es ausdrückt, „praktisch die Live-Variante des Archivs darstellen“.
Mittlerweile befinden sich die convex tv. auch in Kunst- und Ausstellungszusammenhängen. Teilnahmen unter anderem an der transmedia, der documenta oder aller Voraussicht demnächst auch an der Berlin Biennale sorgen dafür, daß man sich in der Tat unter der „Oberfläche des mediablending in neue Konstellationen, Verbindungen und Kontexte begibt“. Der Text soll dabei aber nach wie vor die convex tv.-Party sein.
convex tv. on air: Jeden ersten Sonntag im Monat von 17 bis 18 Uhr auf UKW 87,9, Kabel 94,55
Online: www.art-bag.net/convex tv, bei den „Live-Streams“ www .art-bag.net/convextv/euphoria
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